„Bye Bye Bluebird“ (#) von Katrin Ottarsdottír. Dänemark/Faröer, 1998. Hildigunn Eygfinsdottír, Sigri Mitra Gaini, Johan Dalsgaard, Elin Mouritsen, Peter Hesse Overgaard, Nora Baerentsen, Egi Dam

Vor sechs bis sieben Jahren wurde ganz plötzlich das Filmland Island entdeckt mit einigen sehr guten und einigen weniger guten Filmen, skurril allesamt und vor allem geprägt von herb-nordischem Ambiente. Als dann die hiesige Kinolandschaft noch strikter auf Mainstream gebürstet wurde, verschwanden solche Exoten ins  Abendprogramm von Arte, und damit war’s das weitgehend. Nun aber, ein wenig überraschend, wie ich finde und zwangsläufig um zwei bis drei Jahre verspätet,  ein neuer Anlauf, diesmal von den Faröer-Inseln, die womöglich in unserem öffentlichen Bewußtsein noch viel entlegener und abseitiger sind als Island, ein Film, der auf recht bewährte Zutaten setzt -–Skurrilität, das Flair des Roadmovie, die rauhe, wilde Schönheit der großartigen Landschaft und die wortkarge Eigenbrötlerei der Eingeborenen.  Alles andere jedoch als ein weiteres, letztlich beliebiges Exemplar aus der Ethnokiste, sondern ganz im Gegenteil ein besonders schöner, herausragender Film, der viel zu sagen hat ohne dabei das große Wort zu führen.

 

Barba und Rannva kommen nach jahrelanger Abwesenheit zurück in die Heimat, zurück auf die Inseln. In dieser Umgebung müssen sie zwangsläufuig auffallen: Schrille Klamotten, grelles Make-up, bunte Haare und ganz allgemein ein Benehmen, das sich wenig mit der stoischen Sprachlosigkeit ihrer Artgenossen verträgt. Beide kommen zurück, um diverse familiäre Altlasten abzuwerfen, bzw sich mit den Schatten der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Bei Barba wäre das die ungeliebte Mutter mit ihrem neuen Lebensgefährten und all die Probleme und Vorwürfe, die mit der langen Trennung verbunden sind. Bei Rannva ist es auch eher die Mutter, sind es auch noch die Großeltern und ist es hauptsächlich ihre kleine Tochter, zu der sie sich nun endlich bekennen möchte und von deren Existenz nicht mal die beste Freundin wußte. Beide wollen Verantwortung übernehmen, suchen nach ihren Wurzeln, wohl auch deshalb, weil ihr zielloses Umherziehen in Europa wenig dazu geeignet war, Geborgenheit und Sicherheit zu finden. Die beiden werden quer durchs Land kutschiert von Runi, einem neuerdings arbeitslosen Fischer, der auch seien eigene Geschichte hat, die zugleich die Geschichte der ganzen Insel ist. Die nämlich lebt von der Fischerei und die wiederum ist seit neuestem in den Händen eines einzigen Großkonzerns, dem nun alle kleinen Leute auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Runi hat den Fehler begangen, dies öffentlich dem Fernsehen mitzuteilen, weswegen er nun überall, wo er hingeht, auf handfeste Feindseligkeit stößt. Das sehr ungleiche Trio – zwei kichernde, frivole, schrille Girlies und ein gemütlicher, stoischer Fischer – wächst durch zahlreiche Erlebnisse zusammen und trennt sich erst, als die beiden Mädels jeweils ihr Zuhause gefunden haben. Bis dahin werden sehr viele Geschichten erzählt – kleine und große, lustige und tragische, groteske und ernste, private und politische, alles nahe beieinander und alles so zusammengefügt, daß überhaupt kein Krampf und kein Eindruck von Überladenheit entsteht, sondern ein ruhiger, sicherer Rhythmus, der geprägt ist von einer sehr gefühlvollen Regie, die den beiden Frauen jederzeit solidarisch zur Seite steht und ihnen vor allem dann sehr nahe ist, wenn es darauf ankommt. Diese beiden Frauen werden ganz ausgezeichnet gespielt, sie zeigen alle Nuancen zwischen fröhlich-frecher Koketterie und tiefer Verletzlichkeit, und man schaut ihnen ganz allgemein sehr gerne zu. Außerdem gibt es ein paar schöne running gags, viele imposante Landschaftsbilder, schlaglichtartige, aber sehr präzise Einblicke in das Leben dort draußen auf den Inseln, viel schrulligen Humor und ein wunderbares Gespür für intime menschliche Augenblicke und solche, in denen es auch mal etwas lauter und derber zugehen kann. Kurz: Ein rundum schöner Film, der mich nun doch mal wieder etwas zurück in die Ethnoecke zieht, von der ich mich nach einigen eher flauen Erfahrungen in den letzten Jahren ein wenig distanziert hatte. Dies aber ist eindeutig eine schöne Bereicherung einer zunehmend monopolisierten Kinolandschaft. (6.11.)