„Code: inconnu“ (Code: unbekannt) von Michael Haneke. Frankreich/Schweiz/BRD, 2000. Juliette Binoche, Thierry Neuvic, Josef Bierbichler
Eine kleine Handvoll Menschen trifft sich in einem Moment in Paris: Eine Schauspielerin auf dem Weg nach Hause, ihr Schwager, der sein Zuhause auf dem Land verlassen und in Paris leben will, eine rumänische illegale Immigrantin, die um Almosen bettelt und ein Senegalese, der mit gehörlosen Kindern arbeitet. Für einen kurzen Augenblick nur verknäueln sich ihre Lebenswege, dann trennen sie sich sofort wieder, und der Film wird sie für zwei Stunden verfolgen, bevor er dann einfach zu Ende ist.
Das ist ein sich ein ziemlich faszinierender und immer mal wieder auftauchender Gedanke, auch wenn Haneke ihn natürlich noch konsequenter und endgültiger verfolgt, denn mit Ausnahme der beiden Verwandten ergeben sich im weiteren keine Schnittpunkte mehr, sieht man mal davon ab, daß am Schluß wieder alle in Paris versammelt sind, jedoch ohne nochmals in Kontakt zu treten. Das Planspiel fragt also nach Lebenslinien, nach Lebensumständen, nach Herkunft und Ziel, nach Träumen, Ängsten, Sehnsüchten und nach unvereinbaren Konzepten. Die Frau aus Rumänien wird ausgewiesen, doch kann sie daheim nirgends Fuß fassen, also sehen wir sie schließlich wieder auf den Straßen von Paris, wo sie, wie Haneke deutlich macht, einen schweren Stand haben wird. Der Junge vom Land verläßt seinen Vater, der stumm und einsam auf dem alten Gehöft zurück bleibt. Der Senegalese hat allerhand Querelen innerhalb der Familie und mit der Polizei, doch nur sein Vater findet sich schließlich in Afrika wieder. Die Schauspielerin eilt von Job zu Job und kommt mit ihrem Partner, einem Reporter, der sich aktuell im Kosovo aufhält, nicht mehr klar. Am Schluß wird der Code ihrer Haustür geändert, was er nicht mitbekommt. Sie läßt ihn einfach nicht mehr hinein und also steht auch er auf der Straße. Bei allem Interesse an solchen Ideen und Gedanken muß ich leider zugeben, daß ich den Film über weite Strecken sehr trocken und etwas einschläfernd fand. Nur ganz selten zieht Haneke, der sonst ja ein sehr erbarmungsloser Dramatiker ist und nichts und niemanden schont, die Spannung an, schafft ganz unvermittelt intensive, gekonnt verdichtete Szenen, aber dazwischen spielt sich allzu viel Leerlauf und Nichtigkeit ab, wobei man Letzteres immer noch so und so filmen kann. Immerhin darf ich mich über ein spätes Wiedersehen mit Juliette Binoche freuen, die ihre Rolle wundervoll gestaltet und den Kinobesuch sicherlich wert ist, auch wenn leider nicht alle Rollen so eindringlich und gefühlvoll ausgestaltet sind. Auch könnte man sich daran erfreuen, daß Haneke die Schreckensschraube einmal nicht bis zum Bersten angedreht, sondern auch Raum für Ruhiges, zart Humorvolles, gar Menschliches gelassen hat, doch ziehe ich seine Horrorfilme irgendwie vor, weil sie straffer, spannender, provozierender sind. Kopfkino also, aber auf eine Art, wie man es vielleicht nicht immer so gern sieht. (28.2.)