„I earini synaxis ton agrofylakon“ (Das Frühlingstreffen) von Dimos Avdeliodis. Griechenland, 1999. Angeliki Malanti, Angelos Pantelaras, Takis Agoris
Auf der ägäischen Insel Chios trägt sich diese gar wundersame Parabel zu Beginn der sechziger Jahre zu. Ein Dorfpolizist stirbt in einem Tulpenfeld in Ausübung seines Dienstes, sprich beim Verfolgen einer flinken und hübschen jungen Diebin. Vier Herren nun versuchen sich in seiner nachfolge. Der erste versagt als Bewacher der Pflanzungen, läßt sich vor den Karren spannen und versinkt in Halluzinationen. Der zweite versucht es mit drakonischer Strenge, scheitert aber gleichfalls ob seiner lächerlichen militärischen Exzesse. Der dritte verfällt zur Gänze der Spielleidenschaft und geht in ihr mit Haut und Haaren unter. Der letzte schließlich, der jüngste, entgeht den meisten Heimsuchungen, erliegt aber doch den Reizen besagter Diebin, wegen der er den Dienst quittiert, die er sich aber dann im Tulpenfeld schnappt, womit sich der Kreis schließt.
Mehrmals schließt sich auch der Kreis der Jahreszeiten, untermalt von Vivaldis wunderschöner Musik und ausgemalt durch ebenso grandiose Bilder einer mal kargen, abweisenden, mal frühlingshaft lieblichen, mal sommerlich hitzeflirrenden Landschaft, mal mit Blick aufs glitzernde Meer, mal mit Blick über die schroffen Berge oder über bunt blühende Blumenwiesen. Ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus wird uns hier drei Stunden lang zelebriert und wir genießen gern, gehen umso lieber darin auf, als uns ganz nebenbei auch noch eine ausgesprochen schlitzohrige und hübsch vieldeutige Geschichte in einem ganz harmlos komödiantischen Gewand aufgetischt wird. Wenn man möchte, kann man den Film als bukolisch-mediterrane Fantasie begreifen, schwankend zwischen schwarzen Humor, verschmitzter Satire und bäuerlichem Schelmenstück. Wenn man will, könnte man die Fabel aber auch weitaus politischer auslegen, als eine glänzende Satire auf die Lächerlichkeit der Autoritäten etwa, was in Griechenland noch immer sehr viel riskanter und vielsagender sein dürfte als hierzulande, als ebenso glänzende Satire auf die verschiedenen politischen Systeme, die sich als Herrschaft aufschwingend und die Menschen unter ihre Kontrolle bringen wollen, oder auch als Satire auf Korruption, Militarismus, Diktatur und dergleichen mehr, ganz wie es einem beliebt. Der Film gibt sich dabei bewußt keine Mühe, die eine oder andere Sichtweise etwa zu ermutigen, er bleibt durchgängig bei seinem ruhigen, flüssigen, gelassenen Ton, übt sich in fast verschwenderischer Bildschwelgerei und läßt, wie man so schön sagt, den lieben Gott einen guten Mann sein, während sich die sprichwörtlichen Zwischentöne ganz nebenbei und wie von selbst einstellen. Für einheimische Kinogänger dürften die Assoziationen sicherlich noch viel deutlicher und konkreter sein, während ich eher allgemeinere Anspielungen gesehen habe, aber das reicht ja auch schon vollkommen aus, ich jedenfalls hatte meinen Spaß, freute mich an den sinnlichen Genüssen und stellte fest, daß es doch sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt, irgendwelche Aussagen zu verpacken. Diese hier, die fast die ganze Arbeit dem Einfallsreichtum und der Fantasie der Zuschauer überläßt, ist sicherlich nicht die schlechteste. (11.8.)