„Pequeno dicionario amoroso“ (Das kleine Buch der Liebe) von Sandra Werneck. Brasilien, 2000. Andréa Beltrao, Daniel Dantas, Monica Torres, Tony Ramos, Glória Pires

Mann und Frau, Liebe oder Nicht-Liebe, Glück und Niedergang, sind immer und immer wieder Thema im Film. Komisch irgendwie, daß es so wenig wirklich Gutes und Einsichtiges auf diesem Gebiet gibt, das zumeist beherrscht wird von maßlosem Kitsch oder flachem Schickimickiemüll in feinen Penthäusern. Auch diesem Film wollte ich zunächst nicht so recht trauen, ließ mich dann aber gern eines Besseren belehren und verließ den Kinosaal nach anderthalb Stunden höchst nachdenklich, bewegt und amüsiert zugleich. Ein Film, der zugleich leicht und witzig und dabei so unbarmherzig ehrlich und wahrhaftig ist, kann schon etwas weh tun, zumal dann, wenn man sich selbst als Mann recht häufig dort wiederfindet, viel häufiger wohl, als man es gerne hätte.

Luiza und Gabriel machen als Paar alle notwendigen Stadien einer Beziehung durch, und die Erzählung folgt ihnen in kleinen, exemplarisch betitelten Kapitelchen, die fein säuberlich jeden einzelnen Schritt bis hin zum bitteren und doch nicht allzu bitteren Ende verfolgen: Sie lernen sich kennen, fühlen die Schmetterlinge im Bauch, obwohl er frisch geschieden und sie auch nicht gerade positiv vorgeprägt ist, frönen dann intensiv ihrer List und Liebe, heiraten, bauen eine Ehe auf, haben dann die ersten Meinungsverschiedenheiten, erleben den ersten Frust und erleben vor allem, wie alles nach und nach verflacht – die Gefühle, der Sex, das Bemühen umeinander. Sie drängt, klagt, fordert, er blockt ab, redet schön, weicht aus. Sie frißt ihren Frust eine Zeitlang in sich hinein, heult sich bei der unvermeidlichen besten Freundin (Marke männerfeindliche Zynikerin)aus, sucht sich Bestätigung kurzfristig in der Disko bei anderen Männern. Er frißt auch alles eine Zeitlang in sich rein, ist genervt über ihr ewiges Genörgel, heult sich bei dem unvermeidlichen besten Freund (Marke dumpf-schlichter Macho) aus und guckt anderen Frauen hinterher. Dann die Trennung, sein Auszug, der kurze Kampf um ein Zurück, dann der endgültige Bruch und schließlich hat jeder von beiden eine neue Beziehung, die alte ist Geschichte.

 

Da hat man schon einen kleinen Kloß im Hals am Schluß, wenn man mitansehen muß, wie diese anfänglich so reizende, schöne, tiefgehende, begeisterte, leidenschaftliche Freundschaft den Bach runtergeht, um letztlich einfach ersetzt zu werden durch neue Partner, neue Schmetterlinge, und man weiß schon, daß nun alles von vorn losgehen wird, vermutlich mit den gleichen Resultaten. Dabei wird uns das jetzt nicht als dröhnende Tragödie oder sentimentaler Edelkitsch verabreicht, sondern ganz locker und leicht, mit viel Witz, Ironie, Erotik, Spaß, aber eben einem vollkommenen Mangel an Selbstbetrug oder Illusion. Luizas beste Freundin zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Liebe als Prozentrechnung abhandelt. Wenn es zweikommavier Milliarden Männer auf dem Planeten gibt und man es im leben vielleicht auf vierundzwanzig Liebhaber bringt, wie groß ist dann wohl die Wahrscheinlichkeit, daß einer davon der Richtige sein könnte? Verschwindend gering natürlich, wenn man es so betrachtet, und genau so findet der Film immer wieder erschütternd einfache und unsentimentale Erklärungsansätze und Einsichten, um uns davon zu überzeugen, daß eine gelungene Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau wie ein Sechser im Lotto ist und noch viel unwahrscheinlicher. Besonders fies und frappierend dabei ist, wie realistisch und präzise die Mechanik einer solchen Beziehung gezeigt wird – ich jedenfalls habe fast jeden einzelnen Schritt mitvollzogen und mußte beschämt eingestehen, daß ich in sehr vielem ein typischer Mann bin, ob im Denken oder Handeln, daß mir aber auch auf weiblicher Seite bereits fast alle der hier geschilderten Denk- oder Sichtweisen schon vorgekommen sind und zwar mehr als einmal und ganz genau so, Wort für Wort. Wenn ein Film so etwas kann, dann ist er genial, obwohl ich mich eher scheue, diesen Film genial zu nennen, dazu wirkt er zu „klein“, zu „einfach“, zu „leicht“, aber er sagt soviel über Mann und Frau, wie sonst nur die besten französischen Beziehungskisten à la Rohmer, er ist dabei völlig zeitlos, unprätentiös und unambitioniert. Gute Laune verbreiten will er – das tut er, neben allem andere, sogar auch noch. (9.7.)