„Navrat idiota“ (Die Rückkehr des Idioten) von Sascha Gedeon. Tschechien, 1999. Pavel Liska, Anna Geislerova, Tatiana Vilhelmova

Filme aus Osteuropa sind selten bei uns. Sie lassen sich auf dem hiesigen Markt nur schlecht verwerten, wie es aussieht. Dabei haben die Polen, die Tschechen und vor allem die Russen in den letzten zwanzig Jahren wohl mehr herausragende Filme gemacht, als sehr viele westliche Länder, nur daß sie sich auf ihre sperrige, skurrile, oft auch bedrückend düstere, fremdartige Weise nicht mit unseren geglätteten Gewohnheiten vertragen. Schade eigentlich, denn hier wäre für unsereinen eine echte Horizonterweiterung drin. Freuen wir uns also um so mehr, wenn dann doch mal so ein Filmchen auf verschlungenen Pfaden zu uns in den goldenen Westen vordringt.

Frantisek kommt, nachdem er viele Jahre, oder wahrscheinlich fast sein ganzes Leben in irgendeiner mehr oder weniger geschlossenen Anstalt verbracht hat zu der Familie einer entfernten Verwandten. Er braucht eigentlich einen Abend und den darauf folgenden Morgen, um die etwas wirren Liebesverhältnisse zweier Geschwisterpaare zu durchschauen, doch kostet es ihn ungleich mehr Kraft, die Dinge anschließend in der Balance zu halten, die für sein eigenes Leben so selten wie wichtig ist.

 

Der Film könnte in mehrere Richtungen gehen – Komödie, Tragödie, Liebesgeschichte, Melodrama. Zum Glück für uns entscheidet er sich frühzeitig für keine, sondern zieht es vor, zwischen den Stühlen Platz zu nehmen, und dies tut er derartig geschickt und atemberaubend, daß man buchstäblich aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt. Fast slapstickartige, wundervoll realisierte Komik wechselt ab mit zarter Melancholie, herber Tristesse oder bitterem Beziehungskrach. Zwei Schwestern und zwei Brüder finden sich so kompliziert miteinander verstrickt, haben einen so großen Teil ihrer Existenz auf Lügen aufgebaut, daß es unmöglich scheint, einen sauberen Ausweg zu finden, und folgerichtig hagelt es am Schluß, auf dem großen Silvesterball, Trennungen. Das ist an sich eine ernste Sache, ebenso wie vieles an dem, wie die Männer und Frauen hier miteinander umgehen, eine ernste und leider nur allzu realitätsnahe Angelegenheit ist. Aus dem Blickwinkel Frantiseks, des staunenden, kindlich naiven, unbeholfenen, schüchternen, rücksichtslos ehrlichen und völlig wehrlosen Idioten, spielt sich eine absurde Komödie ab, deren Regeln grotesk einfach sind, wenn man von außen zuschaut, die aber für die vier Beteiligten bis zum Schluß ein unlösbares Rätsel darstellen. Frantiseks Verletzlichkeit, seine Unfähigkeit, die verbalen Attacken seiner Mitmenschen kontern, ihnen gleichfalls wehtun  zu können, seine furchtbaren Träume von Elektroschocks und panischer Angst, die ihn Nacht für Nacht peinigen, seine skurrilen Visionen und seine närrische Kunst, ausgerechnet immer dort zu sein, wo gerade etwas Entscheidendes geschieht und gesprochen wird, machen ihn zu einer fast surrealen, clownesken Gestalt, die sehr gut den gesamten Ton des Films vorgibt, der unvorhersehbar und launisch, dabei grundsätzlich sehr still und zart, mit romantischem, leichtem Charme changiert zwischen Hell und Dunkel, der schauspielerisch, musikalisch und optisch optimal gestaltet ist, mal zum Lachen reizt, mal bewegt und rührt, kurz der ein großes Vergnügen und eine Begegnung der besonderen Art darstellt. Mehr davon wäre sehr schön, ist aber leider aus oben genannten Gründen wenig realistisch. (5.3.)