„Grüne Wüste“ von Anno Saul. BRD, 2000. Tatjana Trieb, Robert Gwisdek, Martina Gedeck, Ulrich Noethen, Heino Ferch

Katja hat einen Freund, Johann. Sie leben zusammen in einem kleinen Kaff irgendwo im hessischen Mittelgebirge. Im Wald gibt es eine alte Burgruine, um die sich die Fantasien der beiden Kinder ranken, wo sie sich in die zeit der Ritter und Burgfräuleins zurückträumen. Dann ist es mit den Träumen aus: Johann hat Leukämie und kommt nach Frankfurt in die Klinik. Und ihre Mutter hat ein Verhältnis mit Johanns verwitwetem Vater, weshalb die Familie zuhause bald auseinanderbrechen wird. Johann kommt zwar nochmal nach Hause zurück, aber er ist nicht mehr der alte, die Spiele der Kinder funktionieren nicht mehr so recht. Kurz nachdem Johanns dann gestorben ist, verläßt Katjas Mutter mit der kleinen Schwester die Familie und der Vater kann Katja so gerade noch davon abhalten, sich was anzutun. Vielleicht aber kommt auch irgendwann die Hoffnung wieder.

 

Ein sehr stiller, poetischer, teilweise erschütternd trauriger Film, der eindrucksvoll zeigt, daß auch die Teutschen ab und an sensible, gefühlvolle Filme über die Kindheit und ihr Ende machen können. Die Gefahr, aus der Geschichte mit Krebs und der kaputten Familie ein klischeehaftes Rührstück zu machen, war sicherlich gegeben, und was uns so allabendlich im TV zugemutet wird, rechtfertigt ansprechende Vorbehalte, die, ehrlich gesagt, auch ich hatte. Doch ich mußte mich eines besseren belehren lassen: Nicht nur besticht der Film durch wunderschöne Bilder (die allerdings durch eindeutig zuviel Musik zugeklebt sind), einen Blick für zwischenmenschliche Details, überzeugende Dialoge ohne falsche Töne und sehr gute Schauspieler, deren Gesichter und Gesten sehr aufmerksam und genau eingefangen werden, er überzeugt auch dadurch, daß er sich dem Thema Krebs eben nicht melodramatisch oder platt nähert, sondern streckenweise erschreckend nüchtern und realistisch. Gleiches gilt für die Freundschaft und das Erwachsenwerden: Katjas Kampf um ihren Freund, der immer wieder aufgeben will, der schwächer wird, gleichzeitig verbittert, um Jahre altert, der mit einem mal keinen Sinn mehr hat für ihre alten Kinderspiele und der auch noch mit der gut gemeinten aber gnadenlosen „Schonung“ in der Schule klarkommen muß, ihr verzweifeltes Bemühen, den unerbittlichen Verfall aufzuhalten, Johann Mut und Kraft zu geben, gleichzeitig ihr ebenso verzweifeltes Klammern an den einzigen Menschen, von dem sie sich ernst genommen, in dessen Gegenwart sie sich frei und wohl fühlt, ihr eigener, hart erzwungener Reifungsprozeß, die Distanzierung von der Mutter, das bittere, gegenseitige Unverständnis, die fehlende Stütze durch den Vater, der ruhig, introvertiert, paralysiert daneben steht und zuschaut, all dies wird mit äußerster Intensität und Mitgefühl dargestellt, einem Mitgefühl, das aber nie in Verniedlichung oder Herablassung umschlägt, sondern Katja jederzeit ihre Würde und Persönlichkeit läßt. Mir hat der Film sehr gefallen – er bewegt, trifft das Gefühl, aber er betäubt  und sediert nicht, sondern läßt einem trotzdem einen recht klaren Blick auf das Geschehen. Und er verharmlost nicht: Bitteres bleibt bitter, Grausames grausam, einfache Lösungen wird es nicht geben, und einen Weg in die Zukunft muß erst noch gefunden werden. Schön. (31.1.)