„Harry Potter and the Philosopher’s Stone“ (Harry Potter und der Stein der Weisen) von Chris Columbus. USA/England, 2000. Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Andrew Felton, Robbie Coltrane, Richard Harris, Maggie Smith, Alan Rickman, Ian Hart, John Cleese, Zoe Wanamaker, John Hurt, Fiona Shaw
Die lang erwartete und bereits im Vorfeld nach allen Regeln der Kunst markttechnisch ausgeschlachtete Verfilmung des ersten Buchs von Frau Rowling tut auf angenehme Weise nicht mehr und nicht weniger, als man von ihr erwarten durfte. Sie hält sich ungewöhnlich dicht an die Vorlage, was deshalb schon naheliegend ist, da Rowlings sprühende Phantasie schon im ersten Buch soviel verrückte, spannende und skurrile Geschichten ausgespuckt hat, daß es dumm gewesen wäre, zuviel wegzulassen und erst recht irgendwas hinzu zu erfinden. Brav folgt der Film dem Handlungsverlauf, weswegen er sich auch über glatte zweieinhalb Stunden erstreckt, woran sich aber wiederum kaum jemanden stören dürfte, denn selbstverständlich ist reichlich was los auf der Leinwand. Die Abteilung für Spezialeffekte und Computeranimation hat alle Hände voll zu tun, um den Erfindungen Frau Rowlings gerecht zu werden, was natürlich im Zeitalter der unbegrenzten technischen Möglichkeiten locker von der Hand geht, und da braucht es auch keinen sonderlich begabten oder inspirierten Regisseur, um die dichte Reihung optischer Sensationen sauber hinzubekommen. Überhaupt scheint es mir ziemlich wurscht, wer hier letztendlich Regie führt, der Organismus Harry Potter hat sich längst verselbständigt und verlangt keinen starken Spielleiter, eigentlich nur einen Organisator, der die Fäden in der Hand behält. Die Attraktion liegt hier demnach weniger im filmtechnischen Bereich – alles solides Handwerk, vor allem ein solides Drehbuch von Steve Kloves (der von den fabelhaften Baker Boys), das sich natürlich nicht all jener schönen britischen Verrücktheiten annehmen kann, der Rowlings Romane auszeichnen und sie über den Durchschnitt ähnlich gelagerter Jugendliteratur heben – sondern viel eher auf darstellerischer Ebene und da muß man wirklich zugeben, daß die Besetzungsbüros (äh, sorry, casting agents natürlich) vortrefflichste Arbeit geleistet haben. Zunächst sind die drei Hauptfiguren – Harry, Hermine und Ron – sowohl typmäßig als auch schauspielerisch perfekt getroffen, und was sich drumherum so tummelt, gehört ohne Ausnahme in die allererste Riege aktueller britischer Schauspielkunst und zwar bis hinein in kleinste Nebenrollen. Solch edle Verschwendung kennt man sonst nur aus den klassischen Monumentalfilmen, und es ist gut, sich hier an eine solche Tradition zu erinnern, denn der Film bietet den passenden Rahmen dafür und es macht uns Zuschauern einfach viel Spaß, die vielen prominenten Gesichter in witzigen Masken und Kostümen zu erkennen und noch viel mehr Freude macht es, solchen Leuten wie Harris, Smith oder Coltrane dabei zuzuhören, wie sie ihr schönstes Bühnenenglisch bzw. –schottisch herunterrollen und dazu noch hör- und sichtbar viel Spaß daran zu haben. Gerade die ganz Prominenten sind oft dann besonders gut, wenn sie mal für Kinder spielen und ganz locker und ausgelassen sein dürfen, wenn nicht so sehr die Disziplin, sondern eher die genußvolle Karikatur, die Freude am hemmungslosen Übertreiben gefragt sind. Es ist auch deshalb gut, ein paar echte Charakterköpfe zu haben, weil solch ein Film natürlich ohnehin Gefahr läuft, zur Hightech-Nummernrevue auszuarten, und wenn es dann nicht irgendwelche menschlichen Wesen gibt, die sich der Computeranimation standfest widersetzen, hat man ruckzuck einen hübsch seelenlosen, stromlinienförmigen Hollywoodfilm, so wie man sie alle Tage im Dutzend haben kann. Aus irgendeinem Grund haben die Produzenten davon abgesehen, und da kommt man wieder zum Stichwort Respekt, genau das ist es nämlich, Respekt für die Zielgruppe, wenn man ihnen keinen lieblos dahingescannten Mist bietet, sondern wirklich eine um Niveau bemühte Verfilmung, die niemanden beleidigt, weder die Autorin noch die Fans. Ob nun zweieinhalb Stunden Sinnesbeschallung für das Kind ab sechs Sinn machen, oder auch die teilweise doch ganz schön gruseligen Spezialeffekte, kann man wieder mal lang und breit diskutieren, aber wahrscheinlich unterschätze ich die Toughness und Coolness der Minis von heute sowieso nur, und also kann ich sagen, daß ich persönlich mich bestens unterhalten und amüsiert habe und auch ganz froh bin, nach all dem tristen Müll einmal wieder ein positives Hollywooderlebnis zu verzeichnen. (23.11)