„Jesus‘ Son“ (#) von Alison McLean. USA, 1999. Billy Crudup, Samantha Morton, Denis Leary, Jack Black, Will Patton, Holly Hunter, Dennis Hopper
Irgendwo mitten in Iowa waren die frühen Siebziger wohl nicht so hip wie anderswo an der Westküste oder in New York oder so. Da stolpern ein paar zottelige Junkies durchs Bild, organisieren sich ein paar schäbige Kröten für den nächsten Druck oder die nächste Flasche Bier oder sonstwas, und einer von ihnen erzählt stockend und gleichmütig seine Geschichte von dem Tag an, da er seine große Liebe kennenlernte bis hin zu dem Tag, da er die Entzugsklinik gereinigt und halbwegs aufrecht verlassen kann. Am Anfang ist alles trist, grau, winterlich, feucht-kalt und sehr trostlos. Am Schluß wackelt unser Held eine lange Straße im Sonnenlicht entlang, und es mag fast scheinen, als sei sein Leben doch noch nicht vollkommen verpfuscht. Wer will, mag dies eine Erfolgsgeschichte nennen oder ein Happy End. Doch was sich dazwischen an großen und kleinen Tragödien zuträgt, an schrecklichen Unfällen - Tod durch Überdosis, Tod durch unreinen Stoff, Tod durch eine Pistolenkugel eines völlig durchgeknallten Junkies, Tod durch einen Unfall auf der Landstraße – oder auch an anderen grotesken, mal sehr komischen und mal auch sehr traurigen Geschichten zwischen einer Notfallambulanz, einer Abtreibungsklinik in Chicago, allerhand miesen Kneipen, Motelzimmern, nächtlichen Städten und dergleichen mehr, würde wohl niemanden ernsthaft behaupten lassen, dies sei ein lustiger Film über ein paar lustige Spinner in den lustigen Siebzigern. Eher erinnert der Film an „Drugstore Cowboy“ oder „My own private Idaho“, also an die besten Filme von Gus van Sant, doch scheint er im Grunde noch nüchterner, noch illusionsloser und noch karger im Blick auf Mensch und Umwelt zu sein. Man könnte nicht mal sagen, daß man kein Gefühl hätte für diesen „Knallkopf“, wie er nur genannt wird, und das, was er erlebt, für sein ewiges Scheitern, seinen Kampf gegen den Untergang, sein oft ziel- und hilfloses Taumeln durch die Welt, man könnte auch nicht sagen, daß einen der Tod seiner geliebten Michelle kalt läßt, oder seine Abenteuer im Krankenhaus, die Begegnung mit der vielfachen Witwe beim Entzug, seine Visionen, von denen er immer wieder heimgesucht wird, sein Mangel an Bösartigkeit und seine folgerichtige Verletzlichkeit dort draußen in der Kälte. Und dennoch bleibt uns dieser Mann fern, wird er auf Distanz gehalten, weil er ganz einfach niemand ist, dem man sich nähern könnte, weil er sich selbst nicht nahe ist und auch sonst nichts und niemand wirklich an ihn herankommt. Er scheint in einer ätherischen Wolke zu schweben, niemals ganz von dieser Welt zu sein, und es ist ein besonderes Verdienst von Billy Crudup, genau das wunderbar perfekt dargestellt zu haben. Mit freundlichem, ja fast jesusähnlichem Gesichtsausdruck schlafwandelt er durch all diese irrwitzigen Situationen, treibt er immer weiter, oder läßt sich besser gesagt weitertreiben, niemand weiß wohin, er selbst zuallerletzt. Man identifiziert sich kaum mit jemandem wie ihm, doch schaut man seinen Erlebnissen gespannt, schwankend zwischen Lachen und Entsetzen zu. Um diesen Knallkopf herum formieren sich alle denkbaren Verlierer, Außenseiter, Schattengestalten, Sonderlinge, Verrückte und Halbtote und präsentieren das unglamouröseste Bild der USA, das man sich schätzungsweise vorstellen kann und das umso beachtlicher ist, da es nicht, wie sonst in Hollywoodfilmen gern gezeigt, aus dem pittoresken Elend wiederum einen perversen Glanz fördern will. Die Bilder bleiben kühl, matt, erbittert konsequent und in der Erzählung gibt es bis zum Schluß keine falschen Töne, keinen Sozialkitsch, keine frommen Botschaften – für einen US-Film fast sensationell! Vor allem in der ersten Hälfte besticht der Film durch seine Dichte, die haarfeine Genauigkeit der Bilder, des Milieus, der Menschen, bevor es dann in der zweiten Hälfte ein kleines Stückchen zu lang gerät, dann nämlich, wenn Knallkopf zum Entzug kommt, also fort von der Straße und der Rhythmus der vorherigen achtzig Minuten und die allgemeine Aufmerksamkeit des Publikums etwas verloren gehen. Aber ansonsten wirkt der ganze Film erstaunlich geschlossen, überzeugend und künstlerisch ausgewogen, das heißt, daß er dem Thema optisch und darstellerisch völlig gerecht wird und eben nicht in Banalität versinkt. Nicht schlecht, nicht schlecht. (31.5.)