„Ride with the devil“ (#) von Ang Lee. USA, 2000. Tobey MacGuire, Skeet Ulrich, Jeffrey Wright, Jewel, Jonathan Rhys Meyers, Simon Baker

Der mittlere Westen, so zwischen Missouri und Kansas, früh im Bürgerkrieg: Es kämpfen nicht nur die Blauröcke der Unionisten und die Grauröcke der Konföderierten gegeneinander, sondern auch paramilitärische verbände, quasi Guerillas, die sich Bushwhackers und Jaybreakers nennen, die ohne Uniformen durch Wälder und unwegsames Gelände streifen und berüchtigt sind für ihre kompromißlose Brutalität und ihre überraschenden Attacken. Weil Jack, ein Sohn deutscher Emigranten und als solcher potentiell eher ein Unionist, als Nachbar zusehen muß, wie die Blauröcke eine Farm zerstören und alle erreichbaren Männer töten, läßt er sich vom Sohn dieser Farm und zugleich seinem besten Freund für die Bushwhackers anheuern und von nun an für die Sache des Südens kämpfen. Nach unzähligen schlimmen Erlebnissen und ebenso vielen Verlusten schafft er schließlich mit Frau und Kind den Absprung ins bürgerliche Leben und schaut, wie alle damals, einer ungewissen Zukunft entgegen.

 

Ein großes Bürgerkriegsepos mehr, sollte man meinen, und vieles am äußeren Design läßt auch darauf tippen: Großartige Landschaftsbilder, die man regelrecht in sich aufsaugt und bei Breitwandformat in vollen Zügen genießt, zahlreiche aufwendige Schlachtszenen, ein opulenter zeitlicher Rahmen, der sich über mehrere Jahre erstreckt, viel Personal, so daß es schon einiger Zeit bedarf, bis sich die Hauptfiguren herausgebildet haben, und natürlich über allem: Sehr viel Schicksal. Das allerdings muß noch lange nichts mit einem dieser schmierigen, unsäglich patriotischen und kitschig nostalgischen Epen zu tun haben, wie man sie leider schon viel zu häufig gesehen hat. Ang Lee ist nicht nur, ich sagte es unlängst schon bei „Tiger and Dragon“, ein brillanter Regisseur und Stilist, für den es genremäßig überhaupt keine Schranken zu geben scheint, er ist außerdem auch kein Amerikaner, was schon einen großen Unterschied dabei ausmacht, wie man auf die Dinge schaut. Hier wird demnach mal nicht der Untergang des alten, schönen Südens beweint, die Schändung einer ganzen Lebensart bejammert und auch nicht lang und breit das Schicksal einzelner Patriarchen aufgenudelt. Es werden Menschen in einem Landstrich gezeigt, und was sie im Krieg erleben, wie sie sich verändern, was Familien, Dörfer, Städte mitmachen, wie am Schluß ganze Staaten in Rechtlosigkeit, Anarchie und vor allem unmäßiger Gewalt versinken. Ständig werden Farmhäuser überfallen, die wehrlosen Bewohner brutal ermordet, sogar Skalps angeschnitten, Schwarze gejagt, Städte geplündert und niedergebrannt, ganze Gegenden verwüstet. Es geht nicht so sehr um Ehre, Weltanschauung oder gar die Abschaffung der Sklaverei (obgleich davon durchaus die Rede ist),. Es geht viel eher um Rache, Mordlust, noch mehr Rache, Gewalt und noch mehr Gewalt. Ang wahrt, oft vermittelt durch die Perspektive des eher zurückhaltenden und keineswegs blutdürstigen Jack, eine deutliche Distanz, wenn es um die Motive der Beteiligten und ihre Handlungen geht. Immer wieder wird betont, wie stark sich der Mechanismus der Gewalt verselbständigt hat, wie sehr Fragen der Überzeugung oder der Ansicht in den Hintergrund getreten sind, wo es nur noch ums Töten und ums Überleben geht. Die Bushwhacker sind zerlumpte, wild aussehende, wenig glanzvolle gestalten, die sich in den Wäldern verstecken und sich im Winter in getrennte Quartiere zurückziehen. Gesetzlos und von keiner der beiden Kriegsparteien akzeptiert, leben und töten sie auf eigene Rechnung und werden schließlich größtenteils aufgerieben. Einige verlegen sich aufs professionelle Morden und Plündern, andere laufen zur regulären Armee über und wieder andere versuchen, wie Jack, ganz aus diesem Leben auszuscheren und sich eine andere, friedlichere Zukunft aufzubauen. Konzeptionell und auch in der Umsetzung ist der Film großartig gelungen: Er verknüpft ein panoramaartiges Bild von vielen Schicksalen mit der eindringlichen Schilderung einzelner Geschichten, hebt individuelle Biografien heraus, um sie kurz darauf wieder in das Mosaik einzufügen und zu zeigen, daß er auch jeden anderen hätte herausnehmen können, er mischt Spannendes, Dramatisches, Grausames und, vor allem gehen Ende, auch zart Komisches oder gar eine Liebesgeschichte so geschickt, daß man trotzdem den Eindruck hat, ein rundes, komplexes, ausgewogenes und auch noch unterhaltsames Stück Filmkunst vor sich zu haben. Die Figuren sind plastisch, vielfältig, jedoch nicht überlebensgroß oder heroisch stilisiert, und dementsprechend gibt es auch keine großen Stars hier, sondern sämtlich Schauspieler, die sich zu einem Ensemble fügen. Das Tempo wirkt trotz der vielen Actionszenen entspannt, eher ruhig und flüssig, der Erzählstil absolut souverän und die Ästhetik wie immer bei Ang bestechend. Er erzählt diesmal nicht die offizielle, schon so oft erzählte Geschichte des Bürgerkriegs, sondern geht ins Detail, sucht sich eine scheinbare Marginalie heraus, um deutlich zu machen, wieviel Schicksal trotz allem daran hängen kann. Letztlich geht es einfach um Menschen im Krieg, darum, was er aus ihrem Leben gemacht hat, im Allgemeinen wie im Einzelnen, darum, wie sie das, wofür sie einst zu kämpfen begonnen haben, langsam aus den Augen verlieren, darum, wie er ein Land, eine Gesellschaft in kurzer Zeit gründlich und unwiederbringlich verändert, darum, wie schrecklich die Verwüstungen und Zerstörungen sind, die im Namen des Krieges und der sogenannten Sache angerichtet werden, und davon hat uns Ang hier ein eindrucksvolles, nachhaltiges und künstlerisch kongenial verarbeitetes Bild gegeben. (4.4.)