„Thirteen days“ (#) von Roger Donaldson. USA, 2000. Kevin Costner, Bruce Greenwood, Steven Culp, Dylan Baker, Michael Fairman, Henry Strozier, Frank Wood, Lucinda Jenney
Diese knapp zwei Wochen im Oktober des Jahres 1962 markierten die wohl größte Gefährdung des globalen Friedens seit dem Ende des zweiten Weltkrieges und ließen vor den Augen der ohnmächtigen Welt urplötzlich, fast wie aus dem Nichts, das Horrorszenario eines Atomkriegs greifbar nahe werden. Nirgends läßt sich bis heute so klar wie hier der Mechanismus der politischen und militärischen Eskalation veranschaulichen, ihrer furchtbaren Reichweite und vor allem ihrer enormen Eigendynamik.
Amerikanische Aufklärer bringen Bilder von Raketen irgendwo im kubanischen Urwald. Die Experten identifizieren sie als moderne, atomare russische Angriffswaffen, die ganz offensichtlich mit dem Ziel USA auf Kuba stationiert werden, wobei noch weitere Schiffe auf dem Atlantik unterwegs sind. Präsident Kennedy, hier im ständigen Dreigestirn mit seinem Bruder Robert und seinem engsten Berater Kenneth O’Donnell gezeigt, sieht sich einer starken Falkenlobby gegenüber, kampfeswütigen Armeeleuten, die Kuba erobern, das Desaster der Schweinebucht vom Vorjahr wettmachen, und die verhaßten Russen wegbomben wollen, lieber heute als morgen. Ihre Überzeugung: Die Russen verstehen nur die Sprache der Gewalt, hier ist Stärke angezeigt. Kennedy zögert, hat zu große Angst vor den unabsehbaren Folgen eines militärischen Erstschlages: Vergeltung, vielleicht sogar ein Angriff auf Berlin, und dann der fatale Kreislauf bis hin zum großen Atomkrieg. Doch die Zeit drängt: Die Russen bauen fleißig weiter ihren Stützpunkt aus, die Säbelrassler geifern und toben und Kennedy gerät stark unter Druck, bald ein Entscheidung fällen zu müssen. Es wird verhandelt, es wird taktiert, es wird auf dunklen Kanälen kommuniziert, schließlich entschließt man sich zu einer Seeblockade, die dann auch fast zur gewaltsamen Konfrontation gerät, bis ganz kurz vor Schluß die russischen Frachter im allerletzten Moment beidrehen. Doch Kennedy hat damit nicht viel Zeit gewonnen, denn die vorhandene Bedrohung durch die Russen muß entschärft werden. Also wird wieder gefeilscht, gepokert, gedroht, bis buchstäblich um fünf vor Zwölf ein inoffizieller Kontrakt zustande kommt und damit ein Krieg verhindert werden kann.
Zunächst mal ist dies ein hochspannender Film, weil natürlich die Geschichte schon mal hochspannend ist. Man kann sich dem wahnwitzigen Sog der Ereignisse kaum entziehen, umso mehr, als sie ja nur auf so kurze Zeit gedrängt sind und sich deswegen teilweise fast überschlagen. Sowohl den Beteiligten als auch den Zuschauern bleibt keine Zeit zum Atemholen, fast jede Stunde zählt, jede Entscheidung kann von größter Bedeutung sein, jedes Gespräch findet in einer fieberhaft aufgeladenen Atmosphäre statt, man kann den Gesichtern nur zu deutlich die irrsinnige Anspannung ansehen, unter der die Politiker gestanden haben müssen. Das große Plus des Films ist dabei, daß er sich genau dafür sehr viel Zeit läßt. Er konzentriert sich fast völlig auf die politischen Vorgänge, auf die Gespräche, Diskussionen, Debatten, Auseinandersetzungen im Weißen Haus oder im Pentagon, besonders auf das Ringen der verschiedenen Lobbys, der Hardliner und der Diplomaten, auf die Mechanismen, die bei solchen Vorgängen wirksam werden und auf die Position des Präsidenten. Der ungeheure Druck, unter dem Kennedy stand, wird physisch nachvollziehbar in langen, sehr intensiven und spannungsvollen Szenen, die ihm auch menschlich sehr nahe kommen, obgleich der Politiker stets deutlich im Mittelpunkt steht. Kennedys ohnedies konfliktträchtige Position in der US-Politik, besonders sein schwieriger Stand bei den konservativen Militärs, die irischen Katholiken nicht sonderlich zugeneigt waren, wird natürlich in einer solchen Situation zum ewigen Knackpunkt, denn indem sich Kennedy nicht augenblicklich für eine militärische Lösung ausspricht, bestätigt er alle Vorbehalte gegen sich erneut. Diesen schwierigen Verhältnissen im eigenen Lager kommen natürlich die Probleme mit den Russen hinzu, einem rätselhaften, unberechenbaren und offensichtlich kaum mit westlichen Maßstäben zu messenden Aggressor, der urplötzlich einen solchen Ausfall macht, um sich dann nach zwei angstvollen Wochen wieder zurückzuziehen. Man hat damit einerseits die Fronten im Kalten Krieg auf immer zementiert, aber andererseits immerhin Kuba ein wenig Luft verschafft, denn die USA haben sich verpflichtet, von einer Invasion Kubas langfristig abzusehen. Ganz selten bisher, eigentlich sonst nur bei Ollie Stone, und da natürlich auf dessen besondere Art und Weise, hat sich ein US-Film so konsequent und ausführlich auf die politische Perspektive eingelassen, hat Strukturen und Mechanismen aufgezeigt und dabei ein einmalig vielgestaltiges, komplexes Bild von Beweggründen, Interessen und Emotionen entworfen. Dies zeichnet den Film besonders aus und räumt ihm im Vergleich zum US-Durchschnittskino einen deutlich höheren Rang ein.
Aber – es ist eben auch ein Hollywoodfilm und das heißt, daß wir bei allem Anspruch und aller Spannung doch immer wieder mit Szenen leben müssen, die wir nicht so gern sehen, sprich jener unsäglichen und leider zum Standard gewordenen Top-Gun-Werbeästhetik, die stets im Zusammenhang mit der Armee, ihren Flugzeugen und ihrem Heroismus zum Tragen kommt. Patriotische, überflüssig dumme Postkartenbilder, untermalt von der ebenso unvermeidlichen unentwegt schwelgenden Kitschmusik stören zwischenzeitlich regelmäßig die Konzentration und vor allem die Bereitschaft, das hier für einen ernsthaften US-Film ohne falsche Töne und billige Hurrabotschaften zu halten. Am Ende bleibt die Erkenntnis, daß die Amis offenbar nicht ohne solchen Unfug auskommen. Zwar kann man in diesem Falle gut damit leben, doch noch lieber hätte ich diesmal ganz ohne gelebt, denn dann wäre der Film fast perfekt geworden. Die andere Störung liegt, obgleich weit weniger gravierend und im Vordergrund stehend, in dem Kennedy- Bild, welches unverdrossen von Generation zu Generation weitergegeben wird und mittlerweile wohl zur Geschichtsschreibung zählen dürfte. Kennedy ist der Held, smart, charismatisch, zwar nicht gänzlich unkontrovers, aber doch ein aufrechter Amerikaner, der an seine Überzeugungen glaubte und diese unerschrocken vertrat. Ein Mann des Friedens, der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit. Ja, so hätten wir ihn gern, daran würde man gerne glauben, und doch gibt die Tatsachenforschung leider ein etwas modifiziertes und nicht ganz so glattes und unbeflecktes Bild. Damit hat dieser Film nichts am Hut, er bastelt weiter am Kennedy-Denkmal, zeigt ihn hier als Denker, der auch in größten Streßsituationen nicht gewillt ist, seine tiefsten Glaubensgrundsätze zu verraten – und der in die Kirche geht, wie mehr als deutlich unterstrichen wird! Und ein frommer Amerikaner ist schon mal ein guter Amerikaner. Ich könnte jetzt auch noch meine Vorbehalte gegen Kevin Costner ins Spiel bringen, aber was soll das Genöle, ich sollte zufrieden sein mit einem solchen Hollywoodfilm, der allemal sehr viel mehr Niveau hat als siebenundneunzig Prozent vom Rest, der auch ohne große Showeffekte extrem aufregend ist, einen ständig im Bann hält und eine ganze Menge über die Regeln der Politik zu sagen hat. (7.6.)