„Wo hu zang long/Crouching tiger, hidden dragon“ (Tiger & Dragon) von Ang Lee. Hongkong/ Taiwan/USA, 1999. Michelle Yeoh, Zhang Ziyi, Chow Yun Fat, Chang Chen

Ein herausragendes Beispiel für meine Erfahrung, daß jedes Genre seine Reize hat, wenn man sie nur vernünftig zur Geltung bringen kann. Eastern, sprich Knochenbrecherfilme à la Bruce Lee und Konsorten gehörten bisher nicht gerade zu meiner bevorzugten Kinokost, obwohl sie ja vor vielen vielen Jahren auch hierzulande inflationär stark vertreten und populär waren. Lachhafte Schauspielerei, rüde Tonspur, dümmliche Handlung und dazu eine angemessen idiotische Eindeutschung waren einfach zu viel für ein zart besaitetes Gemüt wie mich und bewogen mich, den ganzen Haufen in die Trash-Schublade abzulegen.

 

Aber wenn sich natürlich ein so begnadeter Stilist wie Ang Lee der Sache annimmt, sieht das alles schon ein bißchen anders aus, und zumindest für dieses eine Mal muß ich mein Urteil (wenn auch nicht grundsätzlich und übergreifend) revidieren und einräumen, daß ich einen tollen Kinoabend hatte und nach zwei Stunden leicht berauscht ins ostwestfälische Winterwetter stolperte, just zurück von einer Traumreise in ferne Welten voller edler Krieger, sanft wogender Bambuswäldchen, karger Wüsten, lebendiger uralter Städte, fremder Riten und Gebräuche. Eine Geschichte von Rache und Liebe,  und zwar heimlicher Liebe, später Liebe, verbotener Liebe, starker Liebe, tödlicher Rache, geduldiger Rache, blutiger Rache undsoweiter. Ein kostbares Schwert verschwindet und taucht immer mal wieder auf, Identitäten werden verschleiert und enttarnt, eine schon fest versprochene Braut flieht und lernt den Mann ihres Lebens kennen, ein seit langem aber niemals öffentlich ineinander verliebtes Paar gesteht sich seine Gefühle, als der Mann rettungslos im Sterben liegt. Das ist zwar die Geschichte im Groben, aber sie ist eigentlich ganz egal, denn was allein zählt, ist der Fluß der Bilder, der Musik, der Rhythmus der furios, teilweise fast schon überzogen choreographierten und jegliche menschliche Gesetze aufhebenden Kampfszenen und der wunderbar realisierte Kontrast von schöner, meditativer Ruhe und explosivem Tempo. Ang Lee hat vorzügliche Darsteller mit eindrucksvollen Gesichtern zu seiner Verfügung, er bemüht sich um seine Charaktere, gibt ihnen Tiefe, Ernsthaftigkeit und Würde, verbindet somit eine anspruchsvolle, komplexe Erzählung mit allerfeinster Unterhaltung. Ab und zu sehnt man sich ja nach solchen gewaltigen Bildern, die einem die Augen mal wieder richtig öffnen, und hier kriegt man sie, Farben, Landschaften, Stimmungen, den Atem des großen, bunten Abenteuers, den Geruch ferner Länder, alles was das Herz des Städters kurz nach Weihnachten begehrt und ihn wenigstens für zwei Stunden mal rausholt aus dem tristen Alltagsgeschäft. Wenn das dann so souverän und einfach gut gemacht ist wie hier, lohnt es jeden Kinobesuch und braucht gar keine Entschuldigung dafür, daß es mal „nur“ und gute Unterhaltung geht. Ein Klassefilm, der Ang Lees Rang als Klasseregisseur deutlich unterstreicht. (11.1.)