„Traffic“ (#) von Steven Soderbergh. USA, 2000. Michael Douglas, Erika Christensen, Amy Irving, Albert Finney, Topher Grace, Benicio del Toro, Tomas Milian, Jacob Vargas, Don Cheadle, Luiz Guzman,  Steven Bauer, Catherine Zeta-Jones, Dennis Quaid, Benjamin Bratt, Peter Riegert

Drei Handlungsorte, drei Geschichten, viele Menschen: Im grenznahen Mexiko führen die Autoritäten mit unterschiedlichen Mitteln ihren Krieg gegen den Drogenhandel. Zwei Polizisten geraten unter den Einfluß des zwielichtigen Generals Salazar und müssen einsehen, daß sie am Ende nur für ein Doppelspiel mißbraucht wurden. Einer stirbt dabei, dem anderen gelingt zumindest ein kleiner Teilerfolg gegen das große Kartell. Auf der anderen Seite der Grenze, in San Diego, tummelt sich die Schickeria am Pool. Ein unbescholtener Familienvater wird plötzlich verhaftet und wegen großangelegten Drogenschmuggels angeklagt. Ein Kronzeuge wird aufgetrieben und soll mit allen Mitteln beschützt werden, während die Ehefrau, anfangs fassungslos und hilflos, langsam ins Geschäft einsteigt und den Tod des Zeugen fordert. Sie hat Erfolg: Der Zeuge stirbt, der Prozeß auch, der Gatte kommt frei, räumt auf und macht weiter wie bisher. Weiter im Norden, in Ohio, bekommt ein angesehener Richter den Job als Vorsteher der US-Dogenbehörde. Er geht mit viel Eifer zur Sache, muß sich aber bereits in den Anfängen aus eigenen Reihen Dämpfer einfangen, weil ihm, diskret klargemacht wird, wie die Dinge liegen, wie die Strukturen sind, und warum der Drogenhandel eigentlich gar nicht wirklich bekämpft werden kann. So richtig aus allen Wolken fällt er aber erst, als er feststellen muß, daß sein eigenes Mustertöchterlein ein Crackjunkie ist, ganz tief drin in der Scheiße, und er plötzlich mit seinem großen Kampf ganz unten anfangen muß.

Sicherlich ein brillanter Film, spektakulär konzipiert, genial erzählt, von einem phantastischen Ensemble adäquat gespielt, unpathetisch, hochspannend, hochintensiv, hochbrisant. Viele unvergeßliche Momente werden sich einprägen, vor allem die Gesichter, aber auch die Spielorte und die Farben, die fest mit ihnen assoziiert werden: Das kalte, hohle, sprichwörtlich technokratische Blau der Szenen in Washington und Ohio, die satten Gelb- und Orangetöne der Szenen in Kalifornien und schließlich vor allem die ausgebrannten, ausgedörrten, ausgeglühten Farben (oder sollte man nicht eher von Nicht-Farben sprechen) der Mexiko-Szenen. Selten ist es einem Film so gut gelungen, die Atmosphäre seiner Schauplätze so intensiv und sinnlich erfühlbar zu machen, selten überhaupt sind Schauplätze so stark und wichtig gewesen. Denn der Film erzählt noch mehr als nur von der ewigen Gewalt, der Korruption, der Gier, der Macht und der Ohnmacht, die allesamt mit dem Drogengeschäft verbunden sind, obwohl er auch dies tut, und zwar so spannend und mitreißend, daß zweieinhalb Stunden wie nichts vorbeigehen. Der Film erzählt, und deshalb finde ich ihn eigentlich auch so gut, darüber hinaus sehr viel über das Land USA und über die Strukturen, die das ermöglichen, was hier angeblich oder auch aus Überzeugung bekämpft werden soll. Der Richter in Ohio kriegt es mehr oder weniger durch die Blume gesagt: Wenn du den Drogenhandel wirklich bekämpfen willst, mußt du das ganze System bekämpfen, denn was ist der Drogenhandel anderes, als eine perverse, extreme, konsequent zu Ende gedachte Folge des Systems – Angebot und Nachfrage, Geld und Gegenwert, der Stärkere siegt und du kannst alles haben, wenn du es nur willst. Die reichen Kids der oberen Zehntausend leben es den eigenen Eltern vor, gehen in die Ghettos, holen sich von den Schwarzen den Stoff und ziehen ihn sich dann in den vornehmen Villen von Mom und Dad rein. Was da an der Grenze im Süden passiert, wird niemals unter Kontrolle sein, denn die Mexikaner sind viel zu korrupt und in den Staaten ist die Nachfrage einfach zu groß, ist der Markt zu reich. Am Ende hat der Richter das Problem erkannt und zugleich begriffen, weshalb er seinen Job ebensogut gleich an den Nagel hängen kann: Wenn man den Drogen den Krieg erklärt, kann es gut sein, daß man schon in der eigenen Familie anfangen müßte. Aber: Wie soll man gegen die eigene Familie Krieg führen?

 

Soderberghs Handschrift ist jederzeit bemerkenswert präsent: Die dokumentarisch gefärbte, bewegliche Kamera, der Verzicht auf teure Technik und glattes Design, das fabelhafte Handling der Schauspieler, das dazu geführt hat, daß sich auch die Stars nahtlos integrieren. Die nicht unbedingt neue Puzzlestrategie täuscht hier etwas darüber hinweg, daß die Szenen sehr kalkuliert und überhaupt nicht irgendwie improvisiert oder spontan zusammengefügt worden sind. Die wenigen Begegnungen oder Überschneidungen der Lebenswege der verschiedenen Hauptpersonen werden nicht aus Gründen der Eleganz oder spielerischer Raffinesse eingesetzt, sondern sind streng sachdienlich und entbehren jeglicher Koketterie. Immer wieder kommt es zu zentralen Gesprächen, Schlüsselerlebnissen, die überlegt und wohl berechnet plaziert sind, und zwar so, daß sie auf keinen Fall von irgendwelchem Lärm oder irgendwelcher Action zugedeckt werden. Die Action spielt sich im Süden ab (überhaupt sagt der Film auch eine Menge über geographische Achsen und die Nord-Süd-Verschiebungen aus), weit weg von der Büropolitik, doch auch hier gibt es integre Gestalten, die eine Idee verfolgen oder einfach ihren Job aus Überzeugung machen und sich nicht korrumpieren lassen. Der mexikanische Bulle verliert seinen Partner, fast das eigene Leben und sehr viel Illusionen, doch bleibt ihm am Schluß doch die Hoffnung, daß man die Kids doch noch von der Straße kriegen könnte. Auch der kalifornische Bulle verliert seinen Partner und viele Illusionen, doch kann er im Haus des Drogenschiebers eine Wanze plazieren und darf damit weiter hoffen, den Kerl noch dranzukriegen. Dies sind einige positive Ansätze, die aber nicht verdecken können, daß die Grundsicht auf die Dinge, vor allem eben auf das ganze System, pessimistisch und sehr kritisch ist. Solange dieses System im Großen bleibt wie es ist, wird sich auch am Ausmaß des Drogengeschäftes wenig ändern und alles, was die Fahnder im einzelnen erringen können, sind ganz kleine Siege hier und da, nicht mehr als Tropfen auf einen großen heißen Stein. Dies ist einer der ganz großen US-Filme der letzten Jahre, weil er als einer der wenigen mal wieder was über das Land an sich zu sagen hat und weil er seine Absichten und seinen künstlerischen Anspruch niemals an geschäftliche Interessen verrät. (23.4.)