„Yi Yi“ (#) von Edward Yang. Taiwan/Japan, 2000. Wu Nianzhen, Elaine Jin, Kelly Lee, Jonathan Chang, Tang Ruyun, Chen Xisheng, Ke Suyun, Zeng Xinyi, Xiao Shushen, Issey Ogata, Michael Tao, Adrian Lin, Xu Shuyuan, Yupang Chan

Einige Wochen im Leben einer ganz normalen Familie aus Taipeh. Es geht um gar nichts Besonderes, eigentlich hauptsächlich um verschiedene Formen der Liebe: Um alte Liebe, um neue, junge, frische, just vermählte Liebe, um enttäuschte Liebe, um unausgesprochene, uneingestandenen Liebe, um wankelmütige Liebe,  um abgeklärte, frustrierte Liebe, um sehnsüchtige Liebe und auch darum, daß die Liebe manchmal gar nicht da ist. Darüber hinaus wird geheiratet, es werden Geschäfte gemacht, es gibt heftigen Streit, es treffen sich überall in der Stadt Menschen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Alte, es wird gealbert, gekreischt, gelogen, experimentiert, kurz, es geschieht all das, was im ganz gewöhnlichen Leben halt Tag für Tag passiert. Daraus nun einen Dreistundenfilm zu machen, ist schon etwas mutig, einen Film, der völlig auf Sensationen oder Actionhighlights verzichtet, der schrilles Spektakel ebenso meidet wie das große Melodrama, eine wahre Symphonie des Alltags, eine Liebeserklärung an die Menschen hier, ein Film wie ein Alterswerk, gemessen, ruhig, meditativ, diskret und einfühlsam, aber auch ein ganz junger Film mit einem Blick für moderne Menschen in einer modernen Zeit. In gewisser Hinsicht auch ein zeitloser Film, der sich konsequent und souverän allen aktuellen Modetrends entzieht und nur das zeigt, was er zeigen will und sich so viel Zeit dafür läßt, wie er es eben für nötig befindet. Ein Film auch, der seinen Menschen niemals zu nahe rückt, der auch in Momenten der Trauer, der Einsamkeit und der Verzweiflung eine stille, respektvolle, etwas traurige Distanz bewahrt und sehr sich sehr viel Mühe damit gibt, diese Menschen in ihrer Stadt, ihren Häusern, ihren Zimmern, ihren Straßen und Kneipen zu zeigen und der ganz unaufdringlich und ohne glänzende Tricks demonstriert, wie eng die Lebenswege und Schicksale manchmal miteinander verbunden sein können. Es gibt Szenen von zauberhaft frechem, fast slapstickartigem Humor und dann wieder lange, intensive und sehr emotionale und eindringliche Momente, zum Beispiel die Szenen mit dem Herrn NJ und seiner  Jugendliebe, die auf einer gemeinsamen Geschäftsreise nach Tokyo noch einmal versucht, ihn für sich zu gewinnen. Oder die Szenen mit seiner Tochter, die den Freund ihrer besten Freundin liebt und sich für kurze Zeit Hoffnungen auf den jungen Mann machen darf. Es gibt viele Enttäuschungen hier, viele Niederschläge und Verluste, doch weiß man am Ende auch, daß alles weitergehen wird und sich manchmal vielleicht auch ein neuer Weg findet. Trotz aller Melancholie gibt es keine Resignation oder Depression.

 

Natürlich ist es manchmal etwas mühsam, den anfänglich etwas verzwickten Verwandtschaftsverhältnissen zu folgen, und einen solch langen Film im Original mit Untertiteln zu sehen, wenn man zu der Sprache so gar kein Verhältnis hat, kostet gelegentlich ein wenig Geduld (so viel sogar, daß manche vorzeitig den Saal räumten), doch wird mehr als entschädigt durch einen wunderbar poetischen, dramaturgisch wie rhythmisch enorm ausgewogenen und im besten Sinne des Wortes human Film, der keine großen Worte um seine Humanität macht, sondern sie ganz einfach umsetzt in Bilder und Geschichten, die ihre Größe aus der Einfachheit beziehen. (5.9.)