„Buffalo soldiers“ (Army go home) von Gregor Jordan. USA/England/BRD, 2001. Joaquin Phoenix, Anna Paquin, Scott Glenn, Ed Harris, Leon Robinson, Michael Peña, Elizabeth McGovern
Aus zwei Gründen ist dieser Film hier ein Wunder: Erstens deshalb, weil es ihn überhaupt gibt, und zweitens deshalb, weil er nach dem 9.September auch noch aufgeführt wurde, wenn auch mit einjähriger Verspätung. Eine solch garstige, ultrafiese, bissige und polemische Militärsatire war von den Amis wahrlich nicht mehr zu erwarten, erst recht nicht nach dem fürchterlichen Rechtsruck und der wüsten Patriotismuswelle als Folge der bewußten Ereignissen im vorigen Jahr. Wer hätte das gedacht – ausgerechnet die Army, die heilige Kuh, die sakrosankte Erziehungsanstalt für echte, aufrechte, gottesfürchtige Amerikaner wird zur Zielscheibe eines solchen Films, der es wahrlich in sich hat. Ich glaube sogar, daß ich seit Robert Altmans glorreichem „M*A*S*H*“ keinen zweiten US-Film wie diesen mehr gesehen habe, und das will wirklich was heißen, denn Altman hat die Latte, was Satire, Spott und Hohn angeht, bekanntlich damals schon recht hoch gehängt, zu hoch faktisch für die meisten seiner Landsleute. Aber hier hat sich ein Regisseur in seinem Geist gefunden, und darüber sollte man an sich schon froh sein, darüber und über diesen wunderbar witzigen und gemeinen Film.
Es ist das Jahr 1989, in Berlin bröckelt schon die Mauer, und wir befinden uns auf einem großen US-Stützpunkt irgendwo zwischen Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe. Elwood, unser Held, erklärt gleich zu Beginn, weshalb sich die Dinge im Folgenden so zutragen werden und nicht anders: Krieg, so sagt er, Krieg ist sicherlich die Hölle, aber Frieden ist einfach zum Kotzen langweilig, und wenn sich soviele Jungs auf einem Haufen langweilen, geht früher oder später allerhand schief. Daran beteiligt er selbst sich sehr eifrig, indem er mit selbstgekochtem Heroin dealt, Putzmittel im großen Stil an deutsche Abnehmer verschiebt, Waffen klaut und vertickt und allgemein allerhand sehr krumme Dinger dreht. Als er dann mit Sergeant Lee einen eisenharten Vietnamvet vor die Nase gesetzt bekommt, trifft er auf einen erbitterten Feind, und als er auch noch dessen Töchterchen vögelt, wird aus dem erbitterten ein tödlicher Feind.
Der Film, ziemlich cool und straight inszeniert mit David Holmes‘ funky Soundtrack, effektiven Schauspielern und einem Regisseur, der sich zurückhalten, das heißt auf Mätzchen und Pathos jeder Art verzichten kann, weil die Story einfach so gut ist, zeichnet, sehr gelinde ausgedrückt, kein sonderlich schmeichelhaftes Bild der ruhmreichen US-Army, die hier ja zudem noch das Amt der Besatzungsmacht vertreten soll. Statt Disziplin und Ordnung, so wie’s der Teutsche gern hätte, herrschen Korruption, Kriminalität, unkontrollierter Drogenmißbrauch und latente Gewalt. All dies ist mehr oder weniger, so die freche These, der öden Langeweile geschuldet, unter der die armen Soldaten dort unten leiden müssen. Während sich die ordenbehangenen Vorgesetzten in eitle, idiotische Spielchen flüchten und auch schon mal ein Scheingefecht arrangieren (eine Szene, auf die Altman stolz gewesen wäre!), rangeln und prügeln sich die unteren Chargen so durch den Tag, schmeißen alles ein, was irgendwie antörnt, und so gerät auch ein Panzermanöver schon mal arg aus dem Ruder und endet mit Toten, explodierten Tankstellen und niedergemähten Autos – ein genüßlicher, brillant zelebrierter Slapstick allerfeinster, allerschwärzester Sorte, wie Altman ihn keinesfalls besser hingekriegt hätte. Der vermeintliche Opfersoldat mit Brille und Milchgesicht, der anfänglich übel auf die Fresse kriegt, entpuppt sich als Undercovermann, der fanatische, gewaltbesessene Vietnamvet läßt Elwoods Auto öffentlich zerlegen, während dieser mit der Gattin eines Vorgesetzten schläft, der von einem Weinberg drüben in Kalifornien träumt. Außerdem gibt es ein paar Rassenkonflikte, jede Menge brutalen Machismo und einen völligen Mangel an Respekt vor Gesetz und Ordnung. Weil ich US-Filme wahrlich zur Genüge kenne, habe ich immer noch mit einer Wendung hin zum Kitschigen oder Banalen oder Versöhnlichen gerechnet, aber – und das ist zweifellos das dritte Wunder dieses Films – es kommt nichts dergleichen, bis zuletzt bleibt der Ton spöttisch, sarkastisch, bissig. Elwood überlebt einen gemeinsamen Fenstersturz mit Lee, wird nach Hawaii versetzt und zieht dort alsbald wieder einen blühenden Schwarzhandel auf, nun allerdings noch um einige Tapferkeitsorden reicher. So sehen die wahren amerikanischen Helden aus – präziser und vergnüglicher kann man diese beknackte Nation nicht ins Mark treffen, und schon deshalb gebührt „Buffalo soldiers“ der Rang als einer der bemerkenswertesten, ungewöhnlichsten und klügsten US-Filme der letzten zwanzig Jahre. Mindestens. (6.11.)