„Mies vailla meeneisyttä“ (Der Mann ohne Vergangenheit) von Aki Kaurismäki. Finnland, 2002. Markku Peltola, Kati Outinen, Juhani Niemalå, Katja Pakarinen, Sakari Kuosmanen
Ein Mann kommt im Zug nach Helsinki, setzt sich auf eine Parkbank, kriegt eins über den Schädel und kann sich fortan nicht mehr erinnern. Er wohnt unter Obdachlosen, verliebt sich in ein Mädchen aus der Heilsarmee, lernt seine geschiedene Frau kennen, erfährt seinen Namen, kehrt aber zurück in die Stadt und schnappt sich Irma in der Uniform.
Natürlich breitet Kaurismäki seinen aus vielen Filmen schön vertrauten Kosmos vor uns aus: Wortkarge, herbe Menschen in trister Umgebung, eine unbehauste große Stadt in einem kalten, kargen Land, sparsame Gesten, sparsame Mimik, sparsame verbale Äußerungen, und überall die Suche nach dem Silberschweif am Horizont, nach dem Fünkchen Hoffnung, für den es sich zu leben lohnte. In früheren Werken war diese Hoffnung oft noch sehr vage, unbestimmt, waren die Verhältnisse in der Regel noch etwas düsterer, aussichtsloser, schienen die verhärmten Menschen noch isolierter, abgestumpfter, trauriger. Vieles daran hat sich im Laufe der Zeit etwas gelockert, erwärmt, relativiert, vermutlich weil Kaurismäki auf die Dauer doch zu menschenfreundlich ist, um immer nur frostige Einsamkeit in Szene zu setzen und um die Zuschauer immer nur mit seiner arktischen Form der Romanze allein zu lassen. Er hat sich angenähert und erlaubt seit einigen Jahren seinen skurrilen Helden regelmäßig ein schönes, verdientes Happyend, wie auch hier seinem Mann ohne Vergangenheit, einem echten Kaurismäki-Mann in bester Tradition (jaja, das Bild vom Matti Pellonpää hängt lange sichtbar an der Wand im Lokal), von Schicksalsschlägen übel zugerichtet, fast getötet von besinnungslosen Schlägern im Stadtpark, schließlich durch enorme Willensanstrengung auferstanden und fest entschlossen, ganz neu zu beginnen. Logischerweise stellen sich ihm einige Hindernisse in den Weg, und wie er sie überwindet, wird mit viel Gefühl und ebenso viel trockener finnischer Komik verfolgt. Wie üblich gilt Kaurismäkis Zuneigung den Außenseitern, den Randgestalten, den Armen der Stadt, die hier in Containern leben, einmal pro Woche der der Heilsarmee warm essen, sich gegenseitig auch mal Schuhe klauen, aber dennoch herzensgut sind und einen gut gespielten Rhythm and Blues der neu motivierten Heilarmeecombo sehr wohl zu schätzen wissen. Der Film entwaffnet durch seinen rauhen Charme, seine Zärtlichkeit, seinen umwerfend coolen Witz, seine ebenso umwerfenden Nonsensdialoge, vor allem die zwischen dem Helden und dem Polizisten aus dem Viertel. Der Unterschied zu früher liegt schon in den Bildern: Was früher als grau-schwarz-weiße, matte-dunkle Trübung daherkam, erscheint heute trotz allem in doch recht satten, fast schon leuchtenden Farben, die es eigentlich von vornherein verbieten, daß diese Geschichte einen tragischen Ausgang nehmen könnte. Solch optimistische, positive, ja direkt schöne Bilder habe ich beim ollen Finnen bislang noch nicht gesehen, aber das heißt noch lange nicht, daß dies kein typischer Kaurismäki-Film ist, denn natürlich ist es einer, so schön, ergreifend und unverwechselbar wie all die anderen. (27.11.)