„L’ultimo bacio“ (Ein letzter Kuß) von Gabriele Muccino. Italien, 2001. Stefano Accorsi, Giovanna Mezzogiorno, Stefania Sandrelli, Claudio Santamaria, Giorgio Pasotti
Eine gute Handvoll fein gewandeter, schöner, reicher Italiener vorzugsweise unter Dreißig (aber auch teilweise deutlich drüber) leidet an sich und dem anderen Geschlecht, und benötigt knapp zwei Stunden, um wenigstens ansatzweise ein paar optimistische Entwürfe für’s zukünftige Beisammensein auf die Reihe zu kriegen. Dabei ist das genau wie sonst auch in jedem anderen Land: Was jucken uns klassenbewußte Mittelständler die seelischen _ soll heißen: erotischen - Blähungen der Schickeria? Nicht die Bohne, klar, außer sie werden uns so witzig, selbstironisch und haarscharf lebensnah dargebracht wie hier. Natürlich geht alles mit sehr viel italienischem Temperament vor sich, die ganz tiefen Gefühle, die Leidenschaft, die wahnsinnige Eifersucht, der Tod, die Trauer, die Lust am Leben, kurz die große Oper werden ausführlich zelebriert, und es ist eine echte Freude, dabei zuzuschauen, zumal das Tempo enorm ist und auch so durchgehalten wird, eine schöne Szene jagt die nächste und stets freut man sich schon auf kommende Verwicklungen. Wer gerade nicht mit Kichern und Prusten zu tun hat und vielleicht Zeit für ein wenig Besinnung findet, wird feststellen, daß auch allerhand Wahres über Männer und Frauen gesagt wird, ich für meinen Teil fand mich und meine unmittelbare Umwelt schon in der einen oder anderen Sequenz wieder, das tat manchmal etwas weh und manchmal einfach gut, und so gesehen wäre es auch verfehlt, diesen Film unter die noch immer zu beliebten leichten Liebeskomödien über junge reiche Leute in Nöten einzuordnen, denn verglichen mit denen steckt doch mehr dahinter und darunter, ich meine unter der vermeintlich lockeren, leichtherzigen Oberfläche. Immerhin kriegen die italienischen Machos ordentlich ihr Fett weg: Feige, verlogen, kindlich unausgegoren drücken sie sich vor fester Verantwortung, vor Verbindlichkeit, vor einem tieferen Gefühl. Ihre Treuegelübde an die Ehefrau sind genauso wenig glaubhaft wie ihre rührend naiven Ausbruchsversuche, die zumeist doch wieder im heimatlichen Hafen stranden, geleitet von bourgeoisem Schuldgefühl und dem fehlenden sprichwörtlichen A... in der Hose. Aber keine Sorge, liebe Jungs, die Damen kommen auch nicht besser weg: Gluckend, zickig, bemutternd oder unverbesserlich an allem und jedem herumkrittelnd haben sie scheinbar nichts anderes im Sinn, als den erstbesten Mann auch ja für immer an sich zu ketten und ihn nach vollzogener Heirat gründlich hinzubiegen, so wie sie ihn gern hätten. Auch sie fantasieren gelegentlich von einem neuen Leben, von dem großen Schritt, den sie jetzt aber endgültig und wirklich tun werden – und sie tun ihn doch nicht, kehren brav nach Haus zurück und wähnen sich sogar glücklich. Dann treffen sich Mann und Frau in tränenüberströmter Umarmung – er ist froh, daß er die Sache gerade noch mal so gedeichselt und sie seine Ausflüchte geschluckt hat (bis zum nächsten Mal), sie fragt sich verzweifelt, warum sie nicht stark genug war, um ihn zu verlassen. Den Film wird jeder nach seiner eigenen aktuellen Stimmungslage womöglich sehr unterschiedlich sehen und zu schätzen wissen. Er bedient einerseits die Zyniker, die zu Recht mit größter Skepsis auf das scheinbare Happy End blicken und sich fragen werden, welche Art von Glück denn dies wohl sein und wie lange es ernsthaft Bestand haben möge. Als Romantiker andererseits kann man aber auch alle bösen Hintergedanken verdrängen und sich mit diesen Leuten freuen, denn zweifellos liegt in jeder kleinen Geschichte hier auch die Chance für einen Neuanfang, eine Neubesinnung hin zu etwas Besserem (denn auch die süße Achtzehnjährige wird sicherlich nicht lang um ihren Traummann Carlo trauern). Und so kann sich eigentlich ein jeder bestens amüsieren hier mit sehr viel Temperament, Witz, Tempo, schöner Musik, schönen Menschen und vor allem dem richtigen Maß an Satire und Ironie, denn so ein Film einfach braucht, wenn er nicht zu seicht werden will. So ganz anders im Ton als „Nicht von dieser Welt“ und doch wieder was Feines aus Italien – in nicht mal zwei Monaten also schon mehr als im ganzen letzten Jahr so ungefähr. (12.2.)