„Elling“ (#) von Petter Næss. Norwegen, 2001. Per Christian Ellefsen, Sven Nordin, Per Christensen, Jørgen Langhelle, Marit Pia Jacobsen, Hilde Olausson
Der schmale, nervöse, mamafixierte, kontaktgestörte Elling teilt sich in der Psychiatrie ein Zimmer mit Kjell Bjarne dem Oran-Utan, riesig, etwas stumpf, von der Idee besessen, endlich eine Frau zu haben. Nach einiger Zeit werden die beiden dann wieder auf die „Gesunden“ losgelassen – der norwegische Sozialstaat stellt ihnen eine eigene Wohnung in Oslo zur Verfügung und einen Aufpasser namens Frank, der nachschaut, ob die beiden auch wirklich ins „normale“ Leben zurückfinden, sprich telefonieren, einkaufen, unter Leute gehen. Die erste Zeit ist nicht ganz leicht, vor allem Elling hat arge Probleme, seine Zwänge und Hemmungen zu überwinden, doch dann geht’s los: Kjell Bjarne bändelt mit einer hochschwangeren Nachbarin an und der eifersüchtige Elling schreibt Gedichte, versteckt die in Sauerkrauttüten, um sie so unters Volk zu bringen und lernt auf einer modernen Lesung einen alten Dichter kennen. Der hat ein altes Auto in der Garage stehen, womit wieder die Brücke zu dem Handwerker Kjell Bjarne geschlagen wäre, und bald machen sie ein skurriles Quartett auf, aber skurril oder nicht: Endlich wieder leben!
Ein ganz ganz toller Film aus Norwegen nach einem Roman von Ingvar Ambjørnsen, einem ebenfalls tollen Autor, dessen Sympathie für Außenseiter hier in dieser Geschichte voll und ganz entfaltet wird. Zwischen wunderbar realisierter Komödie, einer Männerfreundschaft mit Haken und Ösen, und gelegentlich anklingenden ernsten Tönen balanciert der Film traumhaft sicher und mit einem so warmen, menschlichen Gefühl, daß man sich buchstäblich nicht sattsehen kann. Elling und Kjell Bjarne sind wahrhaftig ein sehenswertes Paar: Der eine schmächtig, nervös, starr in seiner Verkrampfung, geplagt von wahnwitzigen Ängsten vor der ganzen Welt, der sich am liebsten in einen Schrank, oder wenigstens in die sichere Wohnung zurückziehen würde, der nicht weiß, wie man telefoniert, überhaupt wie man kommuniziert, und der andere, ein wuchtiger Kerl mit, wie man so sagt „schlichtem Gemüt“, der sich an den vermeintlich stärkeren Elling hängt, weil er allein kaum zurecht käme, der nur davon träumt, endlich mal mit einer Frau zu schlafen und der, wenn ihn irgendwas heftig bewegt, gleich den Kopf gegen Wände, Türen, Tischplatten haut. Gemeinsam nehmen sie den Kampf auf gegen die Welt da draußen mit ihren komischen Regeln, ihrem beängstigenden Verkehr, ihrer Lautstärker und Hektik (naja, in Norwegen...), wobei die Betonung auf „gemeinsam“ liegt, denn darum geht es eigentlich in dem Film und das macht ihn auch so schön: Um die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Freundschaft, nach Sicherheit, manchmal auch um den heimlichen Wunsch, sich einfach rauszuziehen aus der großen Welt, sich zu flüchten in eine kindliche, kleine Welt, in der man nichts zu tun haben muß mit all den lästigen und anstrengenden Dingen da draußen. Die eheähnliche Gemeinschaft der beiden Männer ist naturgemäß auch nicht frei von Konflikten: Eifersucht, Selbstsucht und Besitzdenken spielen immer mit, mal zickt der eine, mal der andere, und mal klammert man sich eher zweckgebunden aneinander. Aber auf der anderen Seite geben sich die beiden gegenseitig Kraft, wo es nötig ist, Elling ermutigt Kjell Bjarne (wenn auch schweren Herzens), sich der Dame von oben zu nähern, während er selbst sich anschieben lassen muß, um endlich wieder in Kneipen zu gehen, Kontakt aufzunehmen zu den Mitmenschen. Wie das vonstatten geht, langsam und mit vielen Rückschlägen, wie die beiden aber letztlich doch mit einer Existenz dastehen und sagen können, daß sie es geschafft haben und dennoch sie selbst geblieben sind (Elling sagt es am Ende deutlich, daß er immer eine Randfigur bleiben wird), das wird mit viel Witz und Gefühl dargestellt, mit einer Komik, die die Personen nie denunziert oder sie zu Ausstellungsstücken degradiert, was auch schon durch die großartigen Schauspieler verhindert wird. Ein weiterer wunderschöner Film aus dem Norden, von wo in diesem Jahr doch schon so einiges zu uns durchgedrungen ist. Mehr davon, bitte! (7.5.)