From Hell“ (#) von Allan und Albert Hughes. USA, 2001. Johnny Depp, Heather Graham, Ian Holm, Robbie Coltrane, Ian Richardson, Katrin Cartlidge, Lesley Sharp, Jason Fleming
Ein Film über den guten alten Jack the Ripper verheißt ja eigentlich gothischen Grusel, London im Nebel, die fotogenen Gossen des East End und ein wenig Schlitzerei für die Hartgesottenen unter uns. Das hat immer dann ganz gut funktioniert, wenn der Film stilistisch konservativ, gediegen sich hinter das Thema zurückgestellt und auf die Atmosphäre geachtet hat. Dieses neue Hollywoodprojekt, lustigerweise auch noch die Verfilmung einer Comicserie, allerdings hat genau da ein Problem: Wie verträgt sich modernste, rasante Computertechnik mit dieser klassischen, plüschigen Story, vor allem, wenn sie auch noch brav und akkurat in London anno 1888 plaziert ist? Mag man sich wirklich zwei Stunden lang übermäßig künstliche Szenerien ansehen, sich mit optischen und akustischen Gimmicks wie aus einem x-beliebigen Videoclip begnügen, kurz, einen typischen Hollywoodfilm anschauen, auch wenn es einer mit vermeintlichen Ambitionen ist? Zumindest sehr fraglich, wie ich finde. Denn die Probleme des Films gehen ja noch weiter: Einerseits also schickt er uns auf die übliche Kinoachterbahnfahrt, die noch immer jede Ambition nivelliert, andererseits nimmt er sein Thema unheimlich ernst und kommt uns mit einer recht abenteuerlichen These über die wahren Hintergründe der Prostituiertenmorde: Jack the Ripper ist demnach niemand anderes als der Leibarzt der Königin Viktoria, nebenbei ein Bruder der hochangesehenen und prominent bestückten Freimaurerloge, der lediglich die Zeugen einer kompromittierenden und für den Fortbestand der englischen Monarchie möglicherweise desaströsen Heirat beseitigen will. Die Braut nämlich des inkognito auftretenden Kronprinzen war eine Ex-Hure und die Feiergäste sämtlich ihre alten Kolleginnen aus dem Viertel, also ist die Polizei lange auf der falschen Fährte, glaubt an einen Irren, der es nur auf Nutten abgesehen hat. Erst Johnny Depp als opium- und laudanumsüchtiger Kriminalbeamter gerät auf die richtige Spur, denn er wird, vorzugsweise im Rausch, von Visionen und Eingebungen heimgesucht. Als er dann der Wahrheit zu nahe kommt, wird er von seinem Chef, auch einem Freimaurer, gestoppt, doch kann er immerhin den Tod seiner geliebten Mary aus Irland verhindern, denn die wäre des Unholds letztes Opfer geworden. Dieser Unhold endet schließlich nach vollbrachter Tat im Sanatorium als willenloses Gemüse – man hat ihm, wie auch schon der armen Braut zuvor, die neueste psychiatrische Behandlung angedeihen lassen, eine Art Lobotomie mit einem Bolzenschußgerät. Naja, wie immer man zu dieser Geschichte stehen mag, sie wird jedenfalls überzeugend, spannend und gut aufgebaut vorgetragen, durchaus im Stil eines soliden Unterhaltungsfilms, und darum handelt es sich hier schon. Das hohe Tempo, die Intensität der Geschichte und vor allem die Ansammlung erstklassigster britischer Schauspieler bereiten schon einiges Vergnügen. Die Herren Holm, Coltrane und Richardson werfen ihre Souveränität und ihr Charisma in die Waagschale, und bis in die Nebenrollen hat man noch Leute wie Cartlidge oder Sharp, bekannt aus den Filmen von Mike Leigh etwa, die für einen plastischen, niveauvollen Hintergrund sorgen, während Heather Graham rein optisch gesehen lachhaft unglaubwürdig ist, denn wer jahrelang unter solch hygienischen und ernährungstechnischen Bedingungen gelebt hat wie die Huren von Whitechapel, wird kaum so blühend, schön und wohlgenährt ausschauen wie diese Dame. Johnny Depp darf wieder einmal den weltabgewandten Träumer spielen, hebt sich aber nach wie vor sehr angenehm ab von all den anderen Machohelden seiner Generation und gibt vielen seiner Filme einen ganz interessanten und eigenwilligen Touch.
Also hat der Film insgesamt durchaus einiges auf der Habenseite, doch als Ganzes hat er mich nicht völlig überzeugt, zu dominant sind die stilistischen Kapriolen, zu glatt und modern das Styling, zu oberflächlich die effekthaschende Optik. Vielleicht hätten die Brits das etwas stilvoller gemacht, aber heutzutage würde ich nicht mehr viel darum wetten. (16.3.)