„Greenfingers“ (#) von Joel Hershman. England, 2001. Clive Owen, Helen Mirren, Natasha Little, David Kelly
Preisfrage: Warum drehen die Brits soviele dieser „Feel-good-movies“? Weil sie so irre gut drauf sind und das ganz gern feiern möchten? Oder weil sie so irre schlecht drauf sind und lediglich Gegenutopien zur tristen Realität entwerfen? Warum werden in ihren Filmen Arbeitslose als Stripper populär, fast arbeitslose Grubenarbeiter als Blechbläser, Knackis als Musicaldarsteller und nun Knackis auch noch als Gärtner? Weil diese Insel am Ende das Paradies der Unterprivilegierten ist, wo jeder Mensch ungeachtet seiner Hautfarbe und seiner sozialen Herkunft eine Chance hat, Respekt, Anerkennung und sogar Ruhm zu ernten und man dies im Kino einfach mal kundtun möchte? Oder weil all dies eben nicht zutrifft und man wieder besagte ironische Gegenutopien schafft? Vielleicht gibt es noch eine ganze andere Möglichkeit, die mit diesem Soziologengewäsch gar nichts zu tun hat – die Brits machen einfach so viele dieser Filme, weil sie sich gut verkaufen.
Egal, was nun und wie nun, jedenfalls haben die Brits wieder zugeschlagen und uns diesmal, wie schon angedeutet, Knackis als Gärtner untergejubelt. Wir erleben eine vertraute Konstellation – harte Burschen, Mörder, Räuber, finster tätowierte Schlägertypen und wortkarge Loser sehen sich mit der Welt der Feingeister konfrontiert, der empfindsamen Menschen mit dem grünen Daumen, der versnobten Upperclass, die ihre Gärten hegt und pflegt und die natürlich mit dem ganzen Bodensatz der Gesellschaft nichts im Sinn hat. Einer dieser Knackis spielt dabei die Hauptrolle, ein anfänglich ganz introvertierter, ziemlich resignierter Typ mit wenig Hoffnung auf irgendeine Zukunft und keinerlei Neigung, sich irgendeinem Menschen oder irgendeiner Sache zu öffnen. Er gerät unfreiwillig an das Grünzeug, entwickelt im Lauf der Zeit eine starke Begeisterung und eine noch stärkere Expertise in Gartenangelegenheiten und kann eine kleine Handvoll von Mithäftlingen ebenfalls für die Sache gewinnen. Man nimmt Kontakt zu einer prominenten britischen Gartenexpertin auf (und unser Held gleich auch noch zu ihrer Tochter), und plötzlich hat man eine Einladung für die prestigeträchtige alljährliche Blumenshow in Hampton Court, direkt unter den Augen Ihrer Majestät. Zwar reüssiert die unkonventionelle Truppe nicht gleich im ersten Anlauf, doch das Herz der Königin höchstselbst hat sie gleich erobert, so wie unser Held das Herz des schmucken Töchterleins kapert, und dann auch, wie wir im Abspann lesen dürfen, in den Folgejahren die verdienten Preise auf die Knackis regnen.
Der Fortgang dieser Geschichte ist nach spätestens einer Viertelstunde vorhersagbar, aber das gilt in gleicher Weise für all diese Geschichten: Originalität, überraschende Entwicklungen, brillante Täuschungen sind ihre Sache nicht. Es geht um Herzensangelegenheiten, um den guten Willen, um eine humane Geste, und darüber geraten filmische Fragen gern mal in den Hintergrund. Also: Ein etwas schlichter, etwas braver, vor allem im ersten Drittel recht schleppend und holperig geratener Film, der nicht gerade von seiner Subtilität, von seiner Finesse lebt, sondern von witzigen Typen, witzigen Situationen und einem zumindest teilweise recht frechen Blick auf typisch britische Verhältnisse. Unsere Knackis sind allesamt keine wirklich schlimmen Jungs, sondern haben das herz auf dem sprichwörtlichen rechten Fleck. Es ist für sie eine Ehrensache (und uns ein echtes Anliegen), daß sie sich gegen Snobismus und Standesdünkel, gegen Vorurteile und restriktive Einstellungen zum Strafvollzug behaupten, neuen Stolz entwickeln, eine neue Identität finden, und schließlich hoch erhobenen Hauptes zur Königin schreiten dürfen, direkt heraus aus der Sackgasse von immer neuen Straftaten und immer neuen Verurteilungen. Darum geht es mal zum einen, und zum anderen auch noch um die Idee des offenen Strafvollzugs, um die hier heftig gerungen wird. Kann es wirklich sein, daß verurteilte Kapitalverbrecher verhältnismäßig frei und ohne äußeren zwang in solch einer Anstalt leben und jederzeit die Gefahr besteht, daß sie ausrücken und eventuell neue Untaten verüben? Eine auch im wirklichen Leben und auch hierzulande mitunter recht hitzig geführte Debatte, mit der sich der Film allerdings nichts weiter beschäftigt. Er begnügt sich damit, liebe, gutmütige Knackis zu zeigen, die jegliches Vertrauen rechtfertigen, und somit einen Appell für diese fortschrittliche, mutige Form des Vollzugs zu leisten. Ob dies nun in sonderlich differenzierter oder realitätsnaher Form geschieht, sei mal dahingestellt. Aber was soll’s – dies ist eben ein „Feel-good-movie“, und ich habe mich gut gefühlt dabei, fand die Schauspieler sympathisch (allen voran die wie immer großartige Helen Mirren, die eine herrlich zickige, sehr britisch exzentrische Mrs. Woodhouse verkörpert), freute mich über viele schöne Popsongs (nur nicht über den dämlichen Elton John, der zu allem Überfluß auch noch das letzte Wort hat!), über viele schöne Bilder und mußte zu meiner eigenen Überraschung recht häufig lachen, häufiger jedenfalls als erwartet. Die Zeit der ganz großen Hits in diesem Genre scheinen erstmal vorüber zu sein (bis mich die Brits nicht eines Besseren belehren, worüber ich mich noch mehr freuen würde), es heißt mithin, sich mit netten, sympathischen, wenn auch recht konventionellen und berechenbaren Werken zufrieden zu geben. Solange es noch so geht, will ich auch nicht weiter meckern, sondern vielleicht ganz im Stillen darauf hoffen, daß auch im Bereich Komödie mal wieder was Großes über den Kanals schwimmt. (15.6.)