„Herz im Kopf“ von Michael Gutmann. BRD, 2001. Tom Schilling, Alicja Bachleda-Curus, Anna von Berg, David Scheller, Leonard Lansink, Katharina Müller-Elmau, Matthias Schweighöfer, Sebastian Krohnert

Drehbuch: Hans-Christian Schmid, und das ist in diesem Fall ein echtes Gütesiegel. Denn der Mann hat ja selbst schon drei Filme über das Jungsein in der Republik gemacht („Nach fünf im Urwald“, „23“ und „Crazy“), unkonventionell, gefühlvoll, engagiert und mitreißend, und diese Attribute treffen ganz genau auch auf diesen Film hier zu. Die Geschichte des Jungen Jakob, der nach einem Jahr Abwesenheit, als er nach dem Tod seiner Mutter plötzlich davonlief, nach Frankfurt zurückkehrt zu seiner schwangeren Schwester, der Anschluß sucht im alten Umfeld, aber doch nicht so richtig, der hier und da einen Job macht, aber auch nichts so richtig, und das einzige, was er überhaupt ganz richtig echt tut, ist sich in Wanda zu verlieben, ein polnisches Au-Pair-Mädchen. Wie sich die beiden finden und kriegen (eine ziemlich adrenalinhaltige Angelegenheit voller Mißverständnisse, Frustrationen, Rückschläge und Verzweiflung), davon handelt (unter anderem) der Film. Nebenbei geht es auch noch um die Schwester, wie gesagt schwanger, die schon mal sitzengelassen wurde, und zwar vom Vater des ersten Kindes, und der nun Ähnliches widerfährt und zwar noch vor der zweiten Geburt. Dann geht es um die alte Freundes- und Pfadfinderszene, mit der Jakob eher unfreiwillig Kontakt aufnimmt, weil Wanda mit ihren polnischen Freundinnen dort verkehrt. Es geht um das Ehepaar, bei dem Wanda Dienst tut, sie eine Lehrerin von Jakobs alter Schule und eine herrlich lebensechte Zicke, er ein gutmütiger Kerl, der Jakob auch noch einen Job besorgt. Es geht immer wieder auch um Jakobs Vergangenheit, die bis zum Schluß nicht vollständig erklärt wird, entweder weil Jakob nicht reden will oder weil er unterbrochen wird. Und es geht um Eifersucht, Intrigen, Rivalität unter Teens und natürlich um Jakobs Auseinandersetzungen mit den Erwachsenen, zu deren Welt er noch nicht gehören will. Jenseits aller Klischees aus quälend vielen Teenieklamotten ist der Film im Grunde ganz ernsthaft, er ist solidarisch, spannend, er tut weh, wo’s halt mal weh tut, er macht Spaß, er kitzelt, wo’s auch mal sexy wird und er schlägt sich mit Haut und Haaren auf Jakobs Seite, sieht die Welt voll und ganz durch seine Brille. In vielen Themen und auch in dieser wunderbaren Unbedingtheit erinnert „Herz im Kopf“ an Hark Bohms frühere Filme, vor allem wohl an „Moritz, lieber Moritz“, mit dem er auch sonst sehr viel gemein hat: Die eindrücklichen Milieuschilderungen, die zärtlichen Personenporträts, der intensive Aufeinanderprall Jugendlicher mit den Erwachsenen, der verwirrende Aufruhr der Gefühle, das ewige Auf und Ab und die Bereitschaft, keine geschniegelten, schicken Anziehpuppen vorzuführen, sondern sperrige, eigenwillige Charaktere jenseits allen Glamours, mit Ecken und Kanten, meistens nicht gerade von Erfolg oder Reichtum verfolgt (jedenfalls nicht die, mit denen Autor und Regisseur sympathisieren). Gerade Jakob gibt sein Geheimnis bis zuletzt nicht Preis und wir als Zuschauer spüren, daß da etwas an ihm bleibt, das wir nicht erklären können, nicht wissen, nicht verstehen. Es gibt Andeutungen, es gibt bruchstückhafte Informationen, doch Jakob selbst tut nichts dazu, er offenbart sich nicht, teilt sich kaum mit, er bleibt im Grunde verschlossen, ernst, introvertiert, und nach kurzer Zeit wird er sowieso nur noch von seiner Liebe zu Wanda vorangetrieben. All dies wird hervorragend gespielt und fotografiert, und für Leute in dem Alter müßte das eigentlich der ideale Film zur Erfassung der Befindlichkeit sein. Ich alter Sack bin wohl schon eine Generation weiter, aber trotzdem fand ich‘s wunderschön. (20.6.)