„Monsoon wedding“ (#) von Mira Nair. Indien, 2001. Naseeruddin Shah, Lillete Dubey, Shefaiy Shetty, Vijay Raaz
Große Hochzeit in Delhi: Der einheimische Stamm soll mit dem nach Amerika emigrierten Ableger verbunden werden, und logischerweise gerät der Event zum riesigen Prestigeobjekt, vor allem für Paps, der sich fieberhaft in die Vorbereitungen wirft, um ja eine perfekte Show hinzulegen. Ebenso logisch, daß sich hinter den Kulissen zahlreiche Dinge abspielen, die das harmonische Bild empfindlich stören könnten: Paps beispielsweise hat drängende Geldsorgen und muß schon die Kollegen im lokalen Golfclub anpumpen. Die Braut selbst hängt noch an ihrem Ex-Lover und hat eigentlich gar keine Neigung, die nach altem Brauch von den Eltern initiierte Hochzeit zu vollziehen. Und dazu addiert sich, was sonst an unvermeidlichen Konflikten in Großfamilien ansteht.
Es ist zunächst mal sehr schön, daß Mira Nair nach dem grandiosen, tief bewegenden „Salaam Bombay“ von einst, ihrer netten, leider in den USA gedrehten Multikultikomödie „Mississippi Masala“ und dem mißglückten Folklore-Erotik-Cocktail „Kamasutra“ zum einen in Indien geblieben ist und zum anderen mal wieder zu großer Form gefunden hat. Filme aus Indien sind uns erfahrungsgemäß auch sehr fremd (um an den Brasilianer von vorhin anzuknüpfen), entweder langatmige Kostümdramen, deren Riten und Gesänge uns wenig sagen, oder knallbunte Folkloreepen, die bestenfalls kurzweilige Unterhaltung garantieren. Meistens dominiert bei uns sowieso der Blick der westlichen Kinomacher auf ein exotisches, mystisches, geheimnisvolles und hauptsächlich fotogenes Indien, das in diesem Fall sehr auf seine stereotypen Schauwerte reduziert bleibt. Realistische Alltagsfilme aus diesem Land bekommen wir nicht zu sehen (sofern es sie überhaupt gibt), die alten Meisterstücke von Satyajit Ray oder eben Mira Nairs Erstling bleiben große, seltene Ausnahmen (zwischen denen liegen dann auch auch gut fünfunddreißig Jahre!).
Das hier ist auch nicht gerade ein realistischer Alltagsfilm, aber doch einer, der ein Stückchen indische Gegenwart einfängt, und zwar so, daß es auch für westliche Sehgewohnheiten mühelos konsumierbar und in jedem Moment aufs beste unterhaltsam ist. Anders als in „Salaam Bombay“ orientiert sich Nair hier an der Oberschicht, nimmt sich diese aber mit einem gehörig satirischen Blick vor und hat offenkundigen Spaß dabei, Traditionen, Sitten, kleinere und größere Verlogenheiten bloßzustellen und zu verulken. Zudem ist alles in einem enorm rasanten, furiosen, höchst respektlosen und ganz und gar untraditionellen Stil gefilmt – also nicht bedächtig und meditativ, wie man es sich hier immer vorstellt, sondern modern, frech, sexy und bissig, ohne dabei den tiefen Respekt, die tiefe Liebe der Regisseurin für ihre Landsleute, ihre Familie zu verleugnen. Manchmal fühlt man sich an eine indische Ausgabe Robert Altmans erinnert, doch ist Nairs Blick nicht so gnadenlos entlarvend, sondern immer wieder menschlich, mitfühlend, auch wenn das Patriarchat hier gehörig was zwischen die Hörner kriegt, auch wenn der kummervolle Brauch der arrangierten Hochzeit einmal mehr ad absurdum geführt wird, und auch wenn man sehr gut weiß, daß das abschließenden rauschende Tanzvergnügen in strömendem Regen reichlich Schweiß und Tränen im Vorfeld gekostet hat. Man kann sich also getrost mitreißen lassen von einem tollen Schauspielerensemble, wilder, lauter Musik, einigen eingestreuten Impressionen aus der Riesenstadt und vielen sehr spaßigen Situationen und Dialogen. Ein buntes, extrem genußvolles Vergnügen, das großen Appetit auf mehr Exotenhäppchen macht. (23.4.)