„Nackt“ von Doris Dörrie. BRD, 2002. Heike Makatsch, Benno Fürmann, Alexandra Maria Lara, Jürgen Vogel, Nina Hoss, Mehmet Kurtulus
Drei Pärchen einst und heute, einst beste Freunde, locker, frei, einfach gut drauf, immer zusammen in Harmonie. Heute älter geworden, ein bisserl gesetzt, ein bisserl frustriert, ein bisserl entfremdet, die einen reich, die anderen erfolglos und getrennt, die dritten irgendwo in der Mitte. Man trifft sich fast widerwillig zum Diner, läßt gezielt alte Wunden aufplatzen und startet schließlich ein sehr riskantes Experiment, das die Paare fast sprengt, sie aber am Schluß komischerweise dann doch alle wieder zusammenführt.
Der neue Film von Doris Dörrie könnte spannend sein – die Geschichte von Freundschaften und wie sie sich im Lauf der Zeit verändern, wie sich die Leute auseinander leben, wie das, was einst den Reiz, die Liebenswürdigkeit, die Nähe zwischen ihnen ausgemacht hat, sie plötzlich trennt, anödet, anwidert. Er könnte lustig sein – eine Geschichte von Beziehungskisten, von Männern und Frauen, ihren Listen und Tücken und ihrem immerwährenden Ringen um die Oberhand. Er könnte traurig sein – der Verlust von Freundschaft, von Zärtlichkeit, von jener wunderbaren Solidarität und Wärme, die einst die Clique formte und beisammen hielt, das Heraufdämmern der unvermeidlichen Midlife Crisis. Er könnte sexy sein – zwei nackte Paare, die einander mit verbundenen Augen ertasten wollen, erotische Spannungen und Rivalitäten. Er ist aber leider nichts von alledem, er ist auf eine merkwürdige Art matt und etwas trist, unangenehm neurotisch und zickig in einigen Teilen, sprachlich zum Teil arg klischeebeladen, hörbar um Tiefgang bemüht, im Grunde aber vor allem ein wenig oberflächlich und viel zu lang. Statt Menschen aus Fleisch und Blut bekommen wir fast leere Hüllen präsentiert, Leute, die uns nicht wirklich nahegehen, mit denen wir nicht fühlen, für die wir nichts empfinden, die uns fern und fremd bleiben, egal wie gut die Schauspieler auch sein mögen (und das sind sie ohne Frage). Sie alle tragen eine Maske, was an sich ganz normal ist, doch dahinter kommt nichts zum Vorschein, nichts, was enthüllt werden, nichts, was uns interessieren könnte. Die einen sind übersättigt, gefrustet, hysterisch, die anderen unzufrieden, gefrustet und aggressiv, und die in der Mitte schwingen zwischen den Polen. Der verbale Schlagabtausch erinnert in seiner übertriebenen Verbitterung und Explizität manchmal an Ingmar Bergman, nur spielt der natürlich in einer ganz anderen Liga, denn der war in der Lage, auch schwächere Drehbücher oft genug zu faszinierenden, atemberaubend spannenden Filmen zu machen, während Dörries Film vor allem am Anfang und am Ende völlig durchhängt, keinerlei Spannung erzeugen kann, nicht mal mehr Interesse, Anteilnahme oder sonstige Emotionen weckt. Die erwähnte Oberflächlichkeit, oder sollte ich besser sagen Eindimensionalität, bezieht sich darauf, daß die so hitzig und wild ausgetragenen Konflikte teilweise gar keine sind, nicht faßbar werden, man fragt sich ernsthaft, weshalb diese schicken reichen Berliner bloß so aufeinander losgehen, was denn da passiert sein mag. Man hört ein paar Phrasen von Leere, Entfremdung, einander nicht mehr sehen, nicht mehr spüren, doch man begreift es nicht so recht, weil alles eher abstrakt, unwirklich, weit hergeholt wirkt. Die Schauspieler müssen übertreiben statt real zu bleiben, sie stellen Stereotypen dar, sie verkaufen sich auch leider weit unter Wert, denn es sind schon starke Typen, die Dörrie da versammelt hat, doch ihre Darstellung dringt nicht unter die Oberfläche. Und so ist der Film weder lustig, noch nachdenklich, noch aufregend, sondern gar nichts. Da gibt’s von der guten Doris doch etliche, die deutlich besser sind. (25.9.)