„Die another day“ (Stirb an einem anderen Tag) von Lee Tamahori. USA/England, 2002. Pierce Brosnan, Halle Berry, Toby Stephens, Rosamund Pike, Rick Yune, Judi Dench, Michael Madsen, John Cleese, Samantha Bond
Vierzig Jahre Bond und dazu auch noch der zwanzigste Film der Reihe, das kann man schon mal feiern. Gern hätte ich mich auch zwei Stunden im Kinostuhl geräkelt, voll Genuß die alten Klischees angeguckt und mitgeklatscht, ging aber nicht, denn dies ist einfach kein guter Bond-Film, es ist sogar ein ziemlich schlechter.
Was ist los hier? Schon von Beginn an hat man den untrüglichen Eindruck, daß die ganze Sache irgendwie in eine falsche Richtung läuft, wenn sie denn überhaupt irgendwohin läuft. Man versucht sich plötzlich in Psychologie, gräbt in die Tiefe (oder wohin auch immer), will aus dem Helden nach vierzig Jahren friedlicher Stereotypie auf einmal einen echten Charakter machen. Bond übt sich in Selbstmitleid und Frust, er zeigt Schwäche, weil er nach monatelanger Folter in nordkoreanischen (also kommunistischen!!!) Gefängnissen merkt, daß er ersetzbar ist und seine Dienste womöglich in Zukunft gar nicht mehr benötigt werden. Um dies zu illustrieren, schleppt er sich bärtig, ausgemergelt und mit erloschenem Blick durch die Landschaft, das Jammerbild eines einst so strotzenden Supermannes und natürlich eine lächerliche Platitüde, die keinen von uns im Zuschauerraum bewegt oder auch nur interessiert. Darüber hinaus übt sich Mr. Bond in ewig gestrigem, vernageltem Gedankengut, als er von der grimmigen M gesagt bekommt, daß sich in der Zeit seiner Abwesenheit die Dinge auf der politischen Weltkarte ein wenig verschoben haben und neuerdings andere Strategien gefragt sind. „Für mich nicht,“ knurrt da der Mann zwischen verbissenen Zähnen und macht sich wieder ans Aufräumen. Unermüdlich, unerbittlich, unversöhnlich, denn der Kalte Krieg, das weiß nur er, hat noch lange nicht aufgehört, kann auch nicht aufhören, denn er ist Bonds einzige Legitimation, seine Existenzgrundlage. Böse, nach Weltherrschaft und globaler Zerstörung strebende Größenwahnsinnige, die immer irgendwie der östlichen Hemisphäre entstammen und für uns schlicht denkende Menschen politisch ganz leicht zuzuordnen sind. Immer rettet Bond die ganze zivilisierte, westliche demokratische Welt vor dem mörderischen Zugriff osteuropäischer Irrer, und jetzt, im 21. Jahrhundert, mag ich es einfach nicht mehr ertragen. Wie geht übrigens der Film aus? Na klar, Bond lag mal wieder völlig richtig mit seiner alten Paranoia, und einmal mehr muß M ihm Abbitte leisten und einsehen, daß der Kalte Krieg doch noch nicht vorbei ist. Na Gottseidank, dann kann Bond Nummer 21 ja kommen.
Aber auch sonst läuft in diesem Streifen allerhand daneben: Die Story, zur Hälfte vage aus dem auch nicht viel besseren „Diamonds are forever“ geklaut, ist so hanebüchen und bescheuert, daß man höchstens noch kichern kann über soviel Schwachsinn, aber das geht nur mit ganz viel Popcorn und Cola. Im nüchternen Zustand ist das verworrene, dramaturgisch desolate, jeder Logik abholde Drehbuch nur nervtötend. Den Schauplätzen (Korea und Island zumeist), die sonst wenigstens ein paar nette Postkartenbilder hergaben, wird null Reiz oder Interesse abgerungen, ebensogut könnte das ganze Spektakel auf dem Mond oder in Wanne-Eickel stattfinden. Die fast ununterbrochene Abfolge von Gefechten, Verfolgungsjagden, Ballereien oder Explosionen bombardiert unsere Sinne dermaßen, daß wir nach spätestens einer Stunde nicht mehr wissen, ob wir Männlein oder Weiblein sind. Es gibt eigentlich gar keine Story mehr, keine halbwegs sinnig aufgebaute Geschichte, nur noch Action, Action, Action, und dies auch noch ohne Sinn und Verstand, gnadenlos überpowert, aufgedonnert, computergestylt, fürchterlich überdreht und – ohne Spaß. Es gibt in diesem Bond-Film vielleicht nur zwei gute Gags und überhaupt keine Selbstironie. Den Drehbuchautoren fehlt jeglicher Stil, jegliches Fingerspitzengefühl, jeglicher Sinn für Details und die nötigen Ruhepausen zwischendurch, sie reihen nur Sensationen aneinander, plump und kalt, genau so kalt und rasant wie Madonnas Titelsong, der sich dem gesamten Ton des Films bemerkenswert gut anpaßt – routinierte Performance, technisch perfekte Produktion, aber ohne jede Seele. Regisseure haben in diesem Konzept wenig zu sagen, hatten sie ja noch nie bei James Bond, das waren immer brave Routiniers, die nicht mehr zu tun hatten, als den ganzen Zirkus am Laufen zu halten, und wenn jetzt mal etwas arriviertere Leute wie Apted oder auch Tamahori auftauchen, darf man dem wenig Bedeutung beimessen – auch sie liefern nur Dutzendware ab, verschwinden als Individuen hinter dem erdrückenden Markenzeichen Bond, kurz, es spielt überhaupt keine Rolle, wer da als Regisseur genannt wird, jeder könnte es tun, die Maschinerie läuft von allein. Tamahori hat in seiner Heimat Neuseeland mit „Die letzte Kriegerin“ einst glanzvoll begonnen. Dann ging es nach Hollywood und es ging bergab. Mal sehen, wo er noch landet, aber auch das ist wohl egal, denn Kohle wird er bis dahin allemal genug gesammelt haben. Ach ja, und zu guter Letzt noch die Schauspieler: Brosnan gibt zum ersten Mal einen matten, müden, total uncharmanten Bond. Dieser Kerl ist eine Maschine - brutal, leblos, etwas schmullig und alles andere als sexy oder etwa charismatisch. So hat Connery gespielt, als er die Rolle dicke hatte (vor allem auch in „Diamonds...“), und bei Brosnan deutet nach diesem Film alles auf das gleiche hin, obgleich er vom Typ her so gut zu Bond paßt. In Toby Stephens hat er einen gleichsam unscheinbaren Gegner, der mit seiner grotesken Rolle verständlicherweise wenig anfangen kann. So verzieht er häufiger die Gesichtsmuskeln, als hätte er Krämpfe und kommt irgendwie über die Runden. Die Mädels kommen da schon besser rüber, die sind wenigstens ordentlich sexy, auch wenn sie bestimmt beim Dreh jeglichen Gedanken an die Substanz ihrer Rollen verdrängt haben. Solche Schauspieler wie Halle Berry oder auch Judi Dench hat so ein Film gar nicht verdient, die sind total verschwendet, denn hier regiert nicht der Mensch, sondern das Material. Der vorherige Bond deutete schon eine gewisse Tendenz an, konnte aber wenigstens noch etwas mit seiner grandiosen Besetzung anfangen und daraus die nötige Menschlichkeit beziehen. Dem hier fehlt dergleichen vollständig und ich glaube irgendwie nicht daran, daß künftige Bond-Autoren den Trend wieder umkehren können. Vierzig Jahre und zwanzig Filme – Zeit zu feiern, und vielleicht zugleich Zeit zum Abdanken. (30.11.)