„The deep end“ (#) von David Siegel. USA, 2001. Tilda Swinton, Goran Visnjic, Jonathan Tucker

Margaret ist die Frau eines hohen Marineoffiziers, der meistens irgendwo draußen im Nordatlantik unterwegs ist. Man besitzt ein schickes Haus am Lake Tahoma in Kalifornien und erfreut sich allgemein eines wohlsituierten, gepflegten Lebensstandards. Diese allzu heile Welt bröckelt plötzlich auseinander, als Margaret erfährt, daß ihr Ältester, Beau, in einer Schwulenkneipe in Reno/Nevada verkehrt. Doch es kommt noch ärger: Eines Abends taucht ein Freund Beaus aus just dieser Bar draußen am See auf, es gibt Streit, und am kommenden Morgen liegt der Herr tot am Seeufer. Margaret fackelt nicht lange, schnappt sich die Leiche, hievt sie ins Boot und deponiert sie weit draußen zwischen ein paar Felsen, wo sie später zwar gefunden, aber nie und nimmer mit ihrer Familie in Verbindungen gebracht wird. Aber es kommt noch ärger: Tags darauf taucht plötzlich ein Erpresser auf, der fünfzigtausend Dollar für eine Videokassette haben möchte, auf der Beau beim Sex mit seinem Freund zu sehen ist. Wieder muß Margaret handeln, wieder kämpft sie fieberhaft, und diesmal müssen noch zwei Menschen sterben, bis der äußere Frieden wieder hergestellt werden kann.

 

Ein recht ruhiger, auf Atmosphäre setzender Psychothriller, der wenig Wert auf Action setzt und sich lieber ausführlich Margarets verzweifelten und zunehmend riskanten Versuchen widmet, ihre private heile kleine Welt zu retten vor dem Bösen draußen in der Welt. Wir lernen Margaret nicht sehr genau kennen, können aber dennoch ganz gut ahnen, was sie zu diesem Handeln treibt, was sie so völlig aus der Bahn wirft. Es liegt im Beruf des Gatten, es liegt im Ruf der Familie, es liegt vor allem in der ganzen sozialen Umgebung, die zwar bemerkenswert anonym bleibt – niemals bekommen wir einen einzigen Nachbarn zu Gesicht – die aber dennoch sehr präsent ist in den gepflegten Straßen, den gepflegten Häusern, den gepflegten Gärten, den gepflegten Autos. Was nicht gepflegt ist, gehört einfach nicht hierher, und da Schwule allgemein als ausgesprochen ungepflegt gelten, kann man verstehen, weshalb Margaret dermaßen alarmiert und panisch reagiert, abgesehen von der Tatsache, daß ihr eigener Sohn ein Leben geführt hat, von dem sie als Mutter gar nichts gewußt hatte (auch so ein Film also über Mütter und Söhne, nur viel viel ernster als bei Chatiliez!). Sie schafft es nie, ihrem Sohn in dieser Sache etwas näher zu kommen, sie beschränkt sich eher darauf, als Kampfmaschine zu funktionieren, nicht im martialischen Sinn natürlich, sondern eher dahingehend, daß sie mit letzter Konsequenz alle Schritte unternimmt, um das Familienglück zu retten, selbst wenn sie weit in kriminelle Bereiche vorstößt. Ob oder inwieweit sie gerade letzteres irgendwie reflektiert, erfahren wir auch nicht, und so ist eine der Schwächen des Films sicherlich darin zu sehen, daß er ein wenig zu oberflächlich bleibt, daß er bei aller Bedächtigkeit und Intensität doch wenig von den Figuren preisgibt und so letztlich Gefahr läuft, zu unglaubwürdig zu werden (was vor allem auch für den sympathischen Erpresser gilt, der sich schließlich zum aufopfernden Retter wandelt). Natürlich tut Tilda Swinton viel, um dies auszugleichen, ihre Darstellung ist großartig, und sie dominiert den Film glücklicherweise weitestgehend und macht ihn sicherlich besser, als er mit einer anderen Hauptdarstellerin geworden wäre, doch hätte ich mir gerade mit diesem Potential einen noch tiefergehenden, komplexeren Film vorstellen können. Geblieben ist immerhin eine ganz interessante Geschichte mit einigen schönen Bildern und einem Stil, der sich angenehm vom US-Durchschnitt abhebt. (3.6.)