„The Others“ (#) von Alejandro Amenábar. England/Spanien/USA, 2001. Nicole Kidman, Fionnula Flanagan, Christopher Eccleston, Alakian Mann, J. Bentley
Daß es sowas überhaupt noch gibt: Ein klassisch schöner, wohliger Gruselfilm für die langen, stürmischen, feuchten Winterabende, richtig zum Kuscheln am Kamin mit Wolldecke, was Warmem zum Schlürfen und was dabei zum Knabbern, eine herrliche Spukgeschichte mit allem, was das Kinderherz begehrt: Ein großes, düsteres, altes Herrenhaus (diesmal auf der Kanalinsel Jersey), ein großer, wilder Garten mit düsteren Bäumen und viel Laub, das dauernd durch die Luft geweht wird, vor allem sehr viel Nebel, der stets dicht um das Anwesen wabert, und weit und breit nichts, nur dieses Haus. Drinnen viele Treppen, Zimmer, dunkle Flure, quietschende Bohlen, geheimnisvolle Winkel und Erker, verschlossene, seit Jahren unbenutzte Räume, mysteriöse Geräusche von irgendwo, ein Klavier, das von selbst zu spielen beginnt, flüsternde Stimmen, die auf einmal ganz nah sind, und, ganz wichtig und unentbehrlich, allerlei dunkle Geheimnisse aus längst vergessenen Tagen. Dann das Personal: Eine junge Frau mit ihren zwei lichtempfindlichen Kindern, ganz allein in dem großen Kasten, seit der Gatte in den Krieg zog, allein bis zu dem Tag, als drei skurrile Dienstboten auftauchen und sich der Hausherrin anbieten, was dieser gelegen kommt, denn kürzlich verließen die Vorgänger fluchtartig die Gegend. Bald schon wird klar, daß einiges schief läuft unter der streng disziplinierten Oberfläche: Mama herrscht mit drakonisch religiösem Regiment, die Kinder spuren zunächst noch eher widerwillig, und die neue Dienerschaft sorgt für zusätzliches Mißtrauen bei der reichlich dünnhäutigen Chefin. Als dann plötzlich der Ehemann doch aus dem Krieg heimkehrt und die Stimmen, die zunächst nur das kleine Mädchen hört, immer lauter werden, kann man sich so langsam für ein wahrlich denkwürdiges Finale rüsten. Mit diesen genüßlich aufgetischten Zutaten jedenfalls hebt diese Geschichte an und bis ganz kurz vor Schluß denkt man immer noch, es werde im gewohnten Rahmen weiter gehen, doch dann haut uns eine völlig überraschende, genial ausgedachte Wendung doch noch aus den Puschen und gibt dem ganzen vorherigen Geschehen eine neue Bedeutung, vielen Details einen ganz anderen Sinn und man möchte den Film am liebsten sofort noch einmal sehen. Das ist an sich auch gar kein Problem, denn dieser Film ist so glänzend gut gemacht, daß es eine wahre Freude ist: Er setzt auf Atmosphäre und subtile Spannungssteigerung, vermeidet blutige Schocks und andere Angriffe auf unsere Magennerven vollkommen, läßt den Holzhammer eingepackt in der Kommode, läßt schrilles Gelärm draußen vor der Tür und konzentriert sich ganz darauf, eine fast irreal schwebende, dunkle, faszinierend intensive und schleichende Stimmung zu erzeugen, sehr wohl unter bewußter Hinzuziehung altbekannter Genrezutaten (siehe oben), aber auch nicht als grobe Parodie, sondern als sorgsame, liebevolle Hommage. Dazu dann Nicole Kidman, die sich tatsächlich (wie man schon in „Eyes wide shut“ deutlich sehen konnte) zu einer Klasseschauspielerin entwickelt hat und den Film fast ganz allein trägt mit einer nervösen, neurotischen, verletzlichen Ausstrahlung, die ganz demonstrativ an die Heldinnen der Vierziger und Fünfziger erinnert. Ihre zerbrechliche und irgendwie verspannte Grazie wird sehr eindrucksvoll zur Geltung gebracht und man schaut einfach gern hin. Alles in allem ein wunderschönes, altmodisches, dezentes, stil- und geschmackvolles Stück Gruselkino im besten Sinne, nichts Neues in vieler Hinsicht zugegeben, aber wenn die Leute mit ihren filmischen Traditionen so pfleglich umgehen wie in diesem Fall, dann lasse ich mir Herkömmliches und Altbekanntes sehr gern gefallen. (21.1.)