„The road to Perdition“ (#) von Sam Mendes. USA, 2002. Tom Hanks, Tyler Hoechlin, Paul Newman, Jude Law, Stanley Tucci, Daniel Craig, Jennifer Jason Leigh
Chicago und Umgebung im Winter 1931. Mr. Rooney (Paul Newman) ist Chef des größten Syndikats am Ort, ein Ire, gottesfürchtig, patriarchalisch, der sich für seine Leute verantwortlich fühlt, den Familien hilft und kompromißlose Gegenleistung fordert. Zum Beispiel von Mr. Sullivan (Tom Hanks), einem effektiven Schuldeneintreiber, der auch mal von der Waffe Gebrauch macht, wenn es drängt. Eines schönen Abends wird ausgerechnet der neugieriger Michael jr. Zeuge einer solchen „Verabredung“, und von da an sind die Dinge nicht mehr, wie sie vorher waren. Rooneys Sohn, ein egozentrischer, brutaler Typ, tötet Sullivans Frau und den Jüngsten, doch Paps und der Ältere können fliehen. Sie gehen nach Chicago, wo Paps noch ein wenig aufräumt, doch längst ist den beiden ein gräßlicher Killer (Jude Law) auf der Spur.
Ein Gangsterfilm in betont traditionellem Gewand mit vielen bekannten Versatzteilen des Genres: Regen, Depression, triste Stadtlandschaften, viele Schießereien und Tote, der fromme Katholizismus der Clans, die eisernen Regeln der Syndikate und ihre allgegenwärtige Macht. Natürlich muß all dies siebzig Jahre danach nachgestellt werden, kann nicht so authentisch sein wie in den Gangsterfilmen aus jener Zeit, ganz klar. Insofern reduziert sich ein solches Projekt schon mal auf ein Period Movie, das sich höchstens bemühen kann, dem alten Kanon einige neue Töne hinzuzufügen. Dies ist Mendes meiner Meinung nach aber kaum geglückt, und vielleicht wollte er es auch gar nicht. Okay, Vater und Sohn im Mittelwesten unterwegs auf Bankraub und Rachefeldzug, das hat es möglicherweise so noch nicht gegeben, doch im Grunde steht die ganze Story im Schatten jenes großen Fatalismus‘, der fast alle klassischen Gangsterfilme prägt. Man sieht es am Gesicht des Protagonisten: Ein dunkler, unrasierter, fahläugiger, wortkarger, irgendwie dauernd niedergeschlagener Muffelkopf, der genau wie wir Zuschauer weiß, daß er niemals mit dem Leben davon kommen kann. Damit, mit dieser von vornherein feststehenden Gewißheit, hängt die größte Schwäche des Films zusammen, eine inhaltliche Schwäche, ein Prämisse, die eigentlich unmöglich, unglaubwürdig, absurd ist: Michael Sullivan glaubt allen Ernstes, seinen Sohn retten zu können, indem er Al Capone und Co. Geld stiehlt, Rache an Rooney und seinem Sohn nimmt, und bei alledem ungeschoren davonkommt? Er glaubt allen Ernstes, seinen Sohn, der ein zum Sterben verurteilter Augenzeuge ist, aus dem Kreislauf von Rache und Gewalt heraushalten zu können, indem er selbst diesen Kreislauf von neuem anschiebt, nicht auf Rache verzichtet, das Land verläßt, wie es eigentlich logisch wäre, sondern sich direkt in die Höhle des Löwen begibt und mit Morden und dreisten Banküberfällen dem Syndikat schadet? Selbst der gutgläubigste Zuschauer wird bei kurzem Nachdenken mit Kopfschütteln auf diese hanebüchene Konstruktion reagieren, und mit noch heftigerem Kopfschütteln auf die Tatsache, daß Sohnemann diese Geschichte auch noch überlebt und froh und glücklich bei einem alten Ehepaar auf dem Lande unterkommen kann. Ich muß auf dieser enormen Ansammlung von Unglaubwürdigkeiten so herumreiten, weil sie den ganzen Film unterläuft und stark in Frage stellt, was zumindest ein bißchen schade ist, denn als Stilübung ist er doch exzellent gelungen, mit wunderbar atmosphärischen Bildern, gekonnter Tristesse, stumpfen, winterlichen Farben, den unvermeidlichen braunen Mänteln, den hageren Gesichtern, den regennassen Straßen, dem massenhaften Sterben im Kugelhagel. Dazu ein paar recht markante Schauspieler, vor allem der vortreffliche Jude Law, der seinem Killer eine beängstigend dämonische Note gibt als dekadenter Tod auf zwei Beinen, der seine sterbenden Opfer auch noch mit der Kamera festhält und die perversen Bilder gewinnbringend verkauft. Wie Sullivan und Rooney ist aber auch er kein stabiler, klarer Charakter, sondern ein todgeweihter, krank ausschauender, fiebrig guckender, einsam seine Bahn ziehender gemeiner Hund, der seine Opfer mit Intuition und fanatischer Unbeirrbarkeit verfolgt und schließlich auf Sullivan genau dort wartet, wo der seinen Frieden erhofft hat. Paul Newman ist sehr solide und noch immer bestechend charismatisch als alternder Patriarch, der nun selbst an jenem Gewaltzirkel leidet, den er einst losgetreten immer wieder befruchtet hat und von dem er lebt, und der schließlich, den Regeln gehorchend, seinen eigenen Sohn und später auch sich selbst noch opfert, um endlich Ruhe zu haben. Und Hanks ist mal nicht der Scheiß-Hanks, der All-American-Clean-Guy, der uns sonst immer so nervt, sondern er bemüht sich sichtlich um Gebrochenheit und Tiefe und scheitert nur ein wenig daran, daß sein Charakter so gar nichts anderes ist als brummig und trübe. So wird denn auch die Vater-und-Sohn-Kiste eher angedeutet und recht schemenhaft aufgearbeitet, wie sowieso viele inhaltliche Dinge ein wenig untergehen, weil einfach die optischen, stilistischen Fragen so dominant sind. Wer also Gangsterfilme mit dunkler Note mag, wird sicherlich erfreut sein, solange er über die erwähnten Mängel hinwegsehen kann. Mir war das leider nicht so gut möglich, und also habe ich mich zwar ganz gut unterhalten, finde aber doch, daß Mendes das Versprechen, das er mit „American Beauty“ gab, hier nicht vollständig einlösen konnte. (2.9.)