„We were soldiers“ (Wir waren Helden) von Randall Wallace. USA, 2001. Mel Gibson, Madeleine Stowe, Sam Elliott
Die Amis ziehen also mal wieder nach Vietnam. Nicht sehr überraschend angesichts jüngerer Ereignisse, und immerhin greifen sie ja, wie aktuelle Filme von Ridley Scott oder John Woo dokumentieren, durchaus auch auf andere Kriege zurück – es gab ihrer ja mehr als genug im letzten Jahrhundert. Vor ein paar Jahren kamen, damals wohl eher zufällig, Steven Spielberg und Terrence Malick auf den Zweiten Weltkrieg zurück, auf denkbar unterschiedliche Weise zwar, aber dennoch schien es ihnen an der Zeit, anhand extremer Situationen etwas über die Condition Humaine zu sagen, oder ganz einfach mal wieder an Grundprinzipien des Patriotismus zu erinnern. Dies besonders ist natürlich sehr gefragt in den USA zur Zeit, und nach dem bewußten Datum im letzten September sind diesbezüglich sicherlich noch ein paar Schranken gefallen, soll heißen, das Selbstwertgefühl der Amerikaner wird noch pompöser und ungenierter zur Schau gestellt, und welches Genre böte einen besseren Nährboden für das Schüren solcher Emotionen als der Kriegsfilm? Denn Krieg heißt doch immer: Leiden und sterben und sich opfern für’s Vaterland, eng zusammenrücken, den Feind wacker im Blick, die Stars and Stripes trotzig und entschlossen in den Wind halten und: Gehorchen, gehorchen, gehorchen. Der aktuelle Chef der Nation wird es gern sehen und hören und das amerikanische Publikum offensichtlich auch.
Also Vietnam – wer wäre nicht schon dort gewesen? Wie oft wurde das Ereignis für billigste Chauvipropaganda à la Sly Stallone mißbraucht, wie oft für unklare, pathetische, private Vergangenheitsbewältigung à la Oliver Stone, wie oft ganz schlicht für kassenträchtiges Gemetzel ohne jeden Unterbau, und selten nur, ganz selten, gelang es Regisseuren wie Coppola, Cimino oder Kubrick, sich tieferen Dimensionen der ganzen Tragödie zu nähern. Längere Zeit war jetzt Ruhe, selbst Ollie Stone scheint sein Trauma endlich im Griff zu haben, aber nun wird doch noch mal Mel Gibson losgeschickt, reisen wir zurück in das Jahr 1965, erleben wir, wie eine frisch ausgebildete Luftkavallerieeinheit um einen Hügel im südvietnamesischen Hochland kämpfen muß. Wir haben ähnliches schon mal gesehen, in John Irvins „Hamburger Hill", wo ebenfalls hunderte von Soldaten sterben mußten im sinnlosen Ringen um ein Stück Wald und Dreck. Niemand weiß nachher, worum es eigentlich ging, niemand kann einen zwingenden militärischen Sinn in dem ganzen Wüten und Verrecken sehen, und doch kämpfen beide Seiten verbissen um jeden Zentimeter, so als befände man sich in den Schlammgräben der Ardennen ein paar Kriege früher. Irvin hat damals aus der Geschichte wenig mehr gemacht als einen plakativen und recht oberflächlichen Schlachtenfilm, der alles in allem aber immerhin ohne größeres nationales Pathos auskam. Randall Wallace, das wissen wir von vornherein, kann sich mit derlei nicht begnügen, er muß viel höher zielen, und den Spagat versuchen zwischen heroischen, All-American Statements und, wenn er kein reaktionärer Scheißkerl wie Stallone sein will, einer anderen, gemäßigteren, zeitgemäßeren Sicht auf den Vietnamkrieg, als sie gemeinhin in solchen Machwerken vertreten wird. Immerhin ist all das seit fast dreißig Jahren vorbei, die Vets vergammeln in Heimen oder am Rande der Gesellschaft, und all die Geschichten von My Lai oder Napalm tauchen immer seltener in den Illustrierten auf – gottlob gibt es ja genug Nachschub jedes Jahr.
Folglich widmet Mr. Wallace seinen Film nicht nur den US-Soldaten, die einst im Jahre 1965 ihr Leben fürs Vaterland hergaben, sondern auch den Kämpfern der Vietcong, eine ziemlich bemerkenswerte Geste, die zwar im übrigen Film nur halbherzig bestätigt wird, aber immerhin. Die vietnamesische Perspektive, also die Perspektive des Volkes, das immerhin drei Millionen Menschen verlor in den gut zehn Jahren, fehlt gewöhnlich in amerikanischen Produktionen, und auch wenn diesmal von insgesamt zwei Stunden Laufzeit die Vietcong vielleicht für zehn Minuten als Menschen sichtbar werden, so sind dies doch zehn Minuten mehr als man erwarten konnte. Ansonsten wird uns ein bißchen „Full Metal Jacket“ präsentiert (die Ausbildung vor dem Einsatz, aber viel weniger grimmig und zynisch als bei Kubrick) und ein bißchen „Platoon“ – die Hölle des Krieges im Gelände, die Panik, das unermeßlich blutige Sterben, die Hilflosigkeit junger Soldaten, die auf dieses Grauen nicht vorbereitet werden konnten. Das Massaker nimmt den Hauptteil des Films ein, lang, ausführlich, quälend, „modern“ gefilmt mit einer Kamera, die mitten im Geschehen ist – uns pfeifen buchstäblich die Geschosse um die Ohren, das Blut spritzt uns ins Gesicht – und uns natürlich jegliche Distanz zum Geschehen austreibt. Hier, genau wie bei Spielberg, weiß man nie, ob die Filmemacher nun um ein möglichst realitätsnahes Abbild des Sterbens bemüht waren oder einfach nur die Blut- und Actionjunkies im Publikum befriedigen wollen – vielleicht beides, aber der letztere Aspekt, das Sensationelle, das gut Verkäufliche, scheint doch zu überwiegen. Nicht vergessen, dies ist ein Hollywoodfilm, also ist Distanz nicht gefragt, kritische Analyse noch weniger, es zählen noch immer die Emotionen, und an die wird hier ausschließlich appelliert. Geschickt sicherlich, auch unter Einbeziehung der zurückgebliebenen Ehefrauen, denen nur die furchtbare Aufgabe bleibt, zu warten, Kinder zu gebären (und damit Kanonenfutter für die kommenden Engagements in Übersee) und schließlich die Telegramme mit den Todesnachrichten in der Militärsiedlung zu verteilen und einander zu trösten. Wallace liefert Ansätze in vielen Richtungen (sogar von Rassentrennung ist mal kurz die Rede!), aber immer, wenn es ans Vertiefen gehen müßte, eilt er zurück auf den Kriegsschauplatz und läßt er es lieber wieder krachen. Wir erleben Leid in mannigfaltiger Form, Verlust, Trauer, Entsetzen, Erschütterung, kurz all das, was wir in jedem überdurchschnittlichen oder anspruchsvolleren Kriegsfilm auch sehen können. Wir sehen aber keinen Hinweis darauf, daß die Macher dieses Films diese reine Gefühlsebene verlassen und die Frage nach dem Sinn des Krieges mal an einer anderen Stelle ansetzen möchten. Wir sehen auch keinen Hinweis darauf, daß es gerade dieser burschikose, kernige Patriotismus ist, der die Nationen immer wieder in bewaffnete Konflikte schlittern läßt, jedesmal von neuem in der felsenfesten Überzeugung, einer gerechten Sache dienlich zu sein. Mel Gibson muß zwar auch eine Menge durchstehen hier, und am Ende sogar um einen gefallenen Kameraden weinen (was ihn ja als Held nur noch größer werden läßt), aber im Großen und Ganzen ist er unser patentes Modell, aufrecht, mit klarem Blick, ein bockiger, gläubiger Katholik mit vielen Kindern (logisch!), einer treu und sorgenvoll liebenden Frau daheim (eine denkbar undankbare und blöde Aufgabe für die gute Madeleine Stowe!) und einem gesunden Haß auf Charlie, dem er ordentlich in den Arsch treten will. Ein aufrechter Soldat der alten Schule, der natürlich draußen im Feld bei seinen Jungs bleibt (denn sie sind alle seine Söhne), statt sich mit Generälen zusammen zu hocken und von weitem die Lage zu besprechen. Eine flache, allzu markige Rolle, der Gibson mit seiner ebenso flachen Darstellung voll gerecht wird, und die bereits sehr starke Zweifel an den wahren Absichten des Films erzeugt. Der andere, schlimmere und entlarvendere Part ist der Sam Elliots – ein noch kernigerer alter Haudegen (vor vierzig Jahren die Rolle für John Wayne!) gestählt in vielen Kämpfen, der dem Feind stets aufrecht und nur mit der Pistole begegnet und nachher immer irgendeinen griffigen, grimmigen Spruch vom Stapel läßt. Schwer erträglich in heutiger Zeit, ein absoluter Anachronismus, der aber deutlich in die eine ungeliebte Richtung zeigt. Amerikaner werden den alten Knaben im Kino sicherlich heftig beklatschen und jedes seiner Bonmots johlend begrüßen. Spätestens damit macht sich Wallace unmöglich, outet er sich als stumpfer Nationalist alter Schule, vernichtet er alle Versuche, doch mal andere Perspektiven einzubauen. Und so ertönen dann doch recht viele feierliche, dröhnende Heldengesänge (die stumpfsinnige deutsche Übersetzung des Originaltitels tut ihr Übriges), die mich ernsthaft bezweifeln lassen, daß es vielleicht doch noch mal eine neue Generation von Vietnamfilmen geben kann, die einen ganz anderen Blick auf diesen traumatischen Krieg hat und endlich mal diese ekelhafte amerikanische Selbstgerechtigkeit abschüttelt, die die meisten dieser Machwerke unerträglich macht. Dieser Film hier versucht sich anfangs immerhin an Zwischentönen, tut dies aber leider höchst halbherzig, und kann zuhause bestens verstanden werden als neuerlicher Aufruf nationaler Tugenden, als Anfeuerung zu noch mehr Vaterlandsliebe. Er liegt damit voll im Trend, ist zweifellos ein Produkt seiner Zeit und der entsprechenden Umstände, aber dies kann man heutzutage wohl kaum noch als Erklärung gelten lassen. (4.7.)