Far from heaven (Dem Himmel so fern) von Todd Haynes. USA, 2002. Julianne Moore, Dennis Quaid, Dennis Haysbert, Patricia Clarkson, Viola Davis

   Die Herren Soderbergh und Clooney hatten mit ihrem neuesten gemeinsamen Projekt, wie oben geschildert, nicht ganz so viel Glück, dafür haben sie diesmal als ausführende Produzenten richtig feine Arbeit geleistet, oder zumindest einem richtig feinen Film in den Sattel geholfen, und das ist ja manchmal auch schon viel wert. Todd Haynes hat vor ein paar Jahren mit „Velvet Goldmine“ schon angedeutet, daß er möglicherweise eher in vergangenen Jahrzehnten beheimatet sein könnte, und so wie damals den schillernden Siebzigern seine höchst komplexe Reverenz erwies, so widmet er sich nun den Fünfzigern, genauer gesagt, dem klassischen Frauenmelodrama der Fünfziger.

   Familie Whitaker lebt in Hartford/Connecticut und ist, wir schreiben das Jahr 1957, der Prototyp des WASP: Er ein erfolgreicher, charmanter Workaholic, sie eine aufopferungsvolle, treusorgende Ehefrau und Mama, im ganzen Städtchen bekannt und beliebt für ihre Parties, ihre Qualitäten als Gastgeberin und als repräsentatives, auch in den örtlichen Medien stets gegenwärtiges Mitglied der gutsituierten Gemeinde. Dazu gibt es noch zwei Kinderchen, wie der Herr es befahl, einen Burschen und ein Mädel und fertig ist die Vorstadtidylle comme il faut. Dieses ganze Konstrukt stürzt in sich zusammen, als Paps erklären muß, daß er eigentlich lieber schwul wäre und zugleich Mom zarte Bande zu einem farbigen Gärtner knüpft. Zwei Skandale auf einmal, einfach zuviel für die sensible all-american Nachbarschaft. Mom und Dad werden geschieden, die Tochter des Schwarzen kriegt einen Stein an den Kopf, beide, Mom und ihr schwarzer Freund, werden von ihrer jeweiligen Gemeinde geächtet, er zieht schließlich nach Baltimore und Mom bleibt mit den beiden Kids allein zurück.

   Haynes schwelgt zum einen in Stilmitteln jener alten Filme à la Douglas Sirk oder ähnlichen, empfindet die Ausstattung, die Kostüme und die Kamerapositionen haargenau diesen Werken nach, übernimmt auch das bedächtige, etwas schwerfällige Tempo und die vorhersehbarer Dramaturgie. Es ist auch dies ein Frauenfilm, so wie alle anderen. Frauen und ihre großen Gefühle stehen im Mittelpunkt, und auch Frauen als die Mutigeren, die als erste bereit sind, sich über gesellschaftliche Schranken und Konventionen hinwegzusetzen, den Schritt zu wagen, und gerade im Falle von Mama Whitaker ist dies wahrlich eine gewaltige Leistung, denn die ist ein Hausmütterchen und Hausweibchen, wie es im Buche steht, ein lustvoll zelebriertes, und von der grandiosen Julianne Moore fantastisch interpretiertes Rollenklischee, das Haynes mit viel Liebe zum Detail ausbreitet, um anschließend unsere Erwartungen zu testen. Natürlich begnügt er sich nicht mit purer Nostalgie, mit einer netten Hommage, sondern er hat seinem Film schon eine gehörige Portion Biß und Schneid mitgegeben, und eine teilweise außerordentlich ätzende Satire auf dies polierte, gepflegte, ach so kultivierte und saubere weiße Amerika, in dem aber nur Erfolg und Angepaßtheit etwas zählt und in dem Schwule und Schwarze wie Abschaum behandelt werden. Unter all der ganzen Wohltätigkeit und Wohlanständigkeit verbergen sich Bigotterie, Kleinbürgerlichkeit, Diskriminierung und jämmerliche Engstirnigkeit. Mrs. Whitaker ist die vollendete Protagonistin dieser Gesellschaft, nur kann sie sich irgendwann über die Gesetze hinwegsetzen und sie muß dafür, nach den Regeln des Melodrams, in aller Öffentlichkeit mit Einsamkeit, Enttäuschung und Trauer leiden, während der schwarze Mann mit seiner Tochter fortzieht und Papa Whitaker sich mit seinem minderjährigen Lover fortan in Hinterzimmern von Hotels herumdrücken und mit ziemlicher Sicherheit seinen prestigeträchtigen Job verlieren wird, weil er nicht mehr ins Bild des cleanen, strebsamen Amerikaners paßt. Auch da bleibt Haynes den Regeln der alten Melodramen treu – hinter der konventionellen, oft recht sentimentalen Struktur, den ganzen Stereotypen und den großen Gefühlen verbirgt sich häufig eine gehörige Dosis an Gesellschaftskritik, meistens eine Kritik an Intoleranz und Gefühlskälte, die dann die unpassend Liebenden schmerzhaft zu spüren bekommen.

 

   Also dies ist ein echter Film für Genießer und Fans von stilvollem, eleganten, zitatreichen und geistreichen Filmhandwerk. Wunderbare und schön auf sehr bunt und etwas künstlich getrimmte Herbstbilder aus dem rotgoldenen Neuengland, Elmer Bernsteins gekonnt melancholische Musik und das brillante, bissige Spiel mit hinreichend bekannten Genreanteilen machen ihn zu einem echten Vergnügen. (13.3.)