The Lord of the Rings – The two Towers (Der Herr der Ringe – Die zwei Türme) von Peter Jackson. Neuseeland/England/USA, 2002. Elijah Wood, Ian McKellen, Viggo Mortensen, Orlando Bloom, John Rhys-Davis, Sean Astin, Andy Serkis, Christopher Lee, Liv Tyler, Miranda Otto, Bernard Hill, Brad Dourif, Billy Boyd, Dominic Monaghan, Cate Blanchett
Die Kräfte formieren sich in Mittelerde, sammeln sich zum großen, entscheidenden Kampf zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Zwischen den Türmen Saurons und Sarumans wüten schrecklich die Orks, und die Völker von Rohan und Gondor, die Reiter, die Elben, die Zwerge, die Hobbits und sogar die uralten Bäume, die Ents raufen sich unter der Führung Gandalfs des Grauen zusammen, um die dunklen Mächte abzuwehren. Dazwischen kämpfen sich Frodo und Sam ihren Bestimmungsort entgegen, geführt von der schizophrenen Gestalt Smeagol/Gollum und angefochten vor allem durch die immer größer werdende Kraft des Ringes und die Verlockung, die er für andere bedeutet.
Beim ersten Teil der Trilogie war mein Verstand noch klar genug, um die offensichtlichen Einwände gegen die Tolkien-Verfilmung zu äußern – die Vernachlässigung vieler Einzelheiten aus Tolkiens Universum zugunsten rauschender Actionszenen und Effektorgien. Zwar ein Erlebnis im Kino, aber als Romanverfilmung zumindest kontrovers und diskussionswürdig. Die Tolkien-Exegeten auf der einen, die Freunde prachtvoller Fantasytableaus auf der anderen Seite. Soviel Denken war diesmal nicht drin, aber das finde ich selbst jetzt nach einer Stunde nicht wirklich schade. Man kauert sich in einen hoffentlich bequemen Sessel und taucht für drei Stunden vollkommen ab in eine andere Welt, um dann irgendwann später einigermaßen ernüchtert wieder zum Tagesgeschäft übergehen zu können.
Ich nehme mal an, daß sämtliche Kritik, die man am ersten Teil äußern durfte, auch auf den zweiten Teil zutrifft, denn der macht ja nichts anders. Puristen werden sich nach wie vor nicht so ganz wohl fühlen, zarte Gemüter erst recht nicht, und ich für meinen Teil würde auch zwölfjährige Kinder nicht auf dieses Spektakel ansetzen (doch was weiß ich schon von Zwölfjährigen...). Aber dessenungeachtet muß ich sagen, daß ich einfach überwältigt war von diesem Film, vor allem von der ungeheuren Vision, die sich mir noch viel intensiver mitgeteilt hat als in Teil eins. Die bravouröse, man kann schon sagen einzigartige Leistung Peter Jacksons, dieses beispiellose Mammutprojekt zu organisieren, die unbedingte Entschlossenheit, die dahinterstecken muß, die Fähigkeit, aus alledem nicht nur ein teures Monumentalstück zu machen, sondern durchaus anspruchsvolles, ernsthaftes, eigenwilliges Kino, all dies habe ich erst im zweiten Teil so richtig empfunden, und es hat mich ebenso beeindruckt wie fasziniert.
Da sind natürlich zunächst die Bilder, die unglaublichen Landschaften (sofort ins nächste Flugzeug und auf nach Neuseeland!), die riesigen weiten Räume, die man manchmal im Kino so sehr braucht, raus aus der Stadt, aus den engen Wänden und Straßen, irgendwohin, wo man Luft und Platz findet zum Atmen und weiter zu schauen als vor die nächste Betonwand. Bilder, die einen förmlich ansaugen, die bewirken, daß man sich am Ende fast so vorkommt, als bewege man selbst sich in diesen Landschaften und mitten unter all den merkwürdigen Gestalten dort. Selbst 3-D-Bilder könnten nicht plastischer, nicht mitreißender sein. Dann sind da all die brillanten Schauspieler, die wirklich ihr Bestes geben und sich keineswegs von dem Bilderrausch überfahren lassen, im Gegenteil - ihre Gesichter, ihre Physis, ihre Gesten und Bewegungen bilden einen starken Gegenpol zu den Bildern und etablieren die Schauspieler als absolut gleichwertige künstlerische Kraft. Sogar an Elijah Wood habe ich mich allmählich gewöhnt. Zu Peter Jacksons visueller und gestalterischer Phantasie schließlich fehlen mir fast die Worte. Man sitzt und staunt wie ein kleiner Junge mit ungläubig offenem Mund, manchmal erheitert und manchmal erschrocken. Mal blickt man in finsterste Horrorabgründe, mal erscheinen knorrige Fabelwesen aus einer friedlicheren, heiteren Welt, so wie man sie hier eigentlich nicht findet. Wenn die grausigen Orks über die Leinwand toben, wenn die dunklen Abgründe Mordors oder Isengarts wie die Hölle persönlich flammen, glaubt man sich in schlimmste Alpträume verirrt zu haben, und dann wieder überfluten uns traumhaft schöne Bilder von Bergen, Tälern, Wiesen, Wäldern, verborgenen Festungen und alten Dörfern. In dieser Welt regieren aber nur noch Tod, Unterdrückung und Gewalt, und Jackson hat nicht gerade gespart mit blutigen, düsteren, beängstigenden Szenen. Das ist sicherlich konsequent, und selten hat sich ein Regisseur in dieser Richtung so vehement und expressiv ausgelebt, doch neigen diese Momente, die langen Schlachtszenen, die rasanten Kämpfe, das blutige Gemetzel naturgemäß dazu, all das, was eigentlich auch noch zum Buch gehört und einen wesentlichen Bestandteil der Tolkienschen Vision ausmacht, in den Hintergrund zu drängen, was dann wieder die gewissenhaften Literaturanhänger auf den Plan rufen dürfte (und dies sicherlich mit Recht).
Mir war das für dieses Mal egal – ich war hochgradig gefesselt, berührt und beeindruckt von der schieren Wucht, der Ausdruckskraft der Bilder, von der spürbaren Leidenschaft Jacksons für dieses Projekt und für seine persönliche Version, und finde, dies ist ein begeisterndes, gigantisches, brillantes Stück Kino, das innerhalb seines Genres zweifellos neue, schwer zu übertreffende Maßstäbe setzt. Das Jahr Warten auf den dritten und letzten Teil könnte recht lang werden...(8.1.)