The Magdalene Sisters (Die unbarmherzigen Schwestern) von Peter Mullan. England/Irland, 2002. Anne-Marie Duff, Nora-Jane Noone, Dorothy Duffy, Geraldine McEwan, Eileen Walsh

   Das ist Irland 1964 (oder 1994...):

   Rose bekommt ein Kind, zu dem es keinen Ehevertrag gibt. Kaum entbunden, wird das Baby der Mutter entrissen, zur Adoption freigegeben und die Eltern werden mit der Tochter kein Wort mehr sprechen.

   Margaret wird auf einer Feier von ihrem Cousin fast vergewaltigt. Statt aber den Knaben dranzukriegen, wird das Mädchen der Sündenbock sein, der Schande über die Familie gebracht hat.

   Bernadette sieht fesch aus, weiß das auch und riskiert mit den Jungs aus der Nachbarschule gern mal einen Flirt über den Zaun. Solange geht das gut, bis schließlich die Sittenwächter einschreiten und dem sündigen Treiben Einhalt gebieten.

  Drei Schicksale, eine Lösung: Man schickt die gefallenen Mädchen zu den Magdalenenschwestern, wo sie Anstand und Gottesfurcht beigebogen bekommen. Diese klosterähnlichen Heime waren über die ganze Insel verteilt, und Mullans Film erzählt von einem davon. Davon, wie die drei dort ankommen, mit all den anderen in die Wäscherei gesteckt und fortan nach allen Regeln der katholischen Kunst unterdrückt, erniedrigt, gepeinigt und mißhandelt werden. Unter dem Deckmäntelchen strenger Religiosität toben die Ordensschwestern ihre eigenen Gelüste und Frustrationen an den wehrlosen Mädchen aus, demütigen sie auf übelste Weise, bestrafen und prügeln sie nach Gutdünken, behandeln Flutchtversuche auf Naziart mit Haarescheren und öffentlicher Zurschaustellung und erschaffen allgemein ein Klima ständigen Drucks, ständiger Gewissensnöte, Schuldgefühle, Minderwertigkeitsgefühle. Diese Mädchen, so wird ihnen eingebleut, sind nichts, Huren, Abschaum der Gesellschaft, eine Schande für die Familie, für ihr Geschlecht und für jeden wohlanständigen Katholiken. Durch unendlich harte Arbeit und ebenso unendliche Entbehrungen müssen sie sich langsam die Gunst des Herrgotts verdienen, müssen lernen, allem Weltlichen zu entsagen, zur sich selbst, zur wahren Reinheit und Lauterkeit zu finden. Allerdings müssen sie andererseits auch bei Bedarf den hiesigen Pfarrer oral bedienen und entsprechend veranlagten Schwestern zum Brust- und Schambehaarungsvergleich Model stehen – sie sind ja schließlich Nutten allesamt ohne ein Fünkchen Ehrgefühl. Viele von ihnen werden ihr Leben drangeben und als Nonne enden. Andere landen in Nervenheilanstalten und verrecken dort elendig. Einige wenige werden von ihren Familien dann doch wieder herausgeholt, so wie Margaret, und wieder anderen gelingt die Flucht, wie Bernadette und Rosie. Sie alle jedoch werden sich kaum jemals von der alptraumhaften Erfahrung dieser Jahre lösen können, viele werden niemals heiraten oder nur mit größter Mühe in ein normales Leben zurückfinden. Die Magdalen Sisters aber erfreuen sich noch immer höchsten öffentlichen Respektes.

 

   Man darf dabei ja nicht denken, daß all das vierzig Jahre her ist und die Zeiten sich seitdem sogar in Irland mal geändert haben. Das letzte dieser Heime, so erfahren wir im Nachspann, wurde erst 1996 geschlossen – kaum zu fassen aber wahr. Soviel zum Thema Fortschritt da drüben auf der Insel. Mullans Film ist klar und deutlich, er bezieht unmißverständlich Stellung und prangert ein brutales, zutiefst inhumanes, irrwitzig frauenfeindliches, restriktives System an, in dem sich die heilige römisch-katholische Kirche und die Männerschaft zusammengerottet haben zur Zementierung ihrer uneingeschränkten Macht. Ein jeder stützt den anderen, und so funktioniert dieses tödliche System seit Hunderten von Jahren. Die Männer haben Regeln für sich gemacht und Regeln für die Frauen, das heißt, daß die Frauen noch lange nicht das dürfen, was sie dürfen. Frauen haben gehorsam, willig und keusch zu sein, alles auf einmal und alles in einer Person. Wenn mal ein Mann über die Stränge schlägt, hat die Frau davon gefälligst kein Aufhebens zu machen, sondern diskret und rücksichtsvoll zu schweigen, denn ein Mann ist ja auch nur ein Mann. Wenn eine Frau vorehelichen Geschlechtsverkehr ausübt, so ist sie eine Hure und macht sich einer Todsünde schuldig. Wenn ein Mann mal so rumfickt, ist er halt nur ein Mann und das ist was ganz natürliches. Die Frau ist das potentiell Schmutzige, Sündige, und nur sie hat sich zu kasteien und sich reinzuwaschen von verdorbenen Gedanken. Auf dem Wege dorthin können Frauen untereinander ein beträchtliches Potential an Haß, Neid und Aggressionen entwickeln, wie man hier im Zusammenleben der Schwestern und der Mädchen erleben kann. Es wird weniger wie unter Männern mit brutaler Gewalt ganz direkt unterdrückt und der Schwächere vernichtet, sondern es wird zusätzlich mit subtileren, psychologischen Methoden gearbeitet, die Demütigung ist fast noch bösartiger, noch kompletter. Die Mädchen werden in den Dreck gestoßen, dorthin, wo sie keinerlei Selbstachtung und Selbstwertgefühl mehr haben, um sie von dort aufzuheben und in den Schoß des Ordens zu bugsieren. Von Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Nächstenliebe oder Respekt ist in dieser Welt nichts zu spüren, in dieser Welt herrschen Kälte, moralische Erpressung, Unterdrückung und Haß. All dies zeigt Mullan sehr eindrucksvoll und konsequent in seinem Film, der von Herzen kommt und zu Herzen geht in seiner brillanten Inszenierung und der brillanten Darstellung durch die Schauspielerinnen. Mitreißendes, hoch emotionales Kino ohne schrille Effekte oder unglaubwürdige Platitüden, und endlich auch mal wieder ein Film, der Irland zeigt, wie es wirklich ist und nicht so, wie es die Touristen sehen wollen: Als eine erbärmlich rückständige Hochburg eines autoritären, absurd mittelalterlichen Katholizismus, der in der heutigen Welt eigentlich keinen Platz mehr haben sollte, ihn aber eben leider doch noch hat. Solange das so ist, und solange die Kirche noch immer so empört und polemisch reagiert wie auch diesmal wieder, haben großartige Filme wie dieser jedwede Existenzberechtigung und sogar dringende Notwendigkeit. (9.2.)