Dolls (#) von Takeshi Kitano. Japan, 2002. Miho Kanno, Hidetoshi Nishijama, Tsuya Mihashi, Chieko Matsubara

   Meister Kitano hat seinem letzthin gepflegten Brachialstil kurzfristig abgeschworen, worüber ich persönlich gar nicht böse bin, denn „Brother“ hat den Bogen für meinen Geschmack schon arg überspannt. An die Stelle jäher Gewaltexplosionen ist eine sehr langsame, meditative, der Tradition alter japanischer Puppenspieler verpflichtete Ballade getreten, die vielerorts wegen ihrer Schönheit und Tiefe gerühmt wird, die jedoch, ich gestehe es mit Scham, ein wenig an mir vorübergezogen ist. Kitano öffnet und schließt mit einem Puppenspiel, in dem die zentrale Geschichte seines Films in ihrer Essenz vorgestellt wird: Ein Paar ringt um seine Liebe, hin und hergerissen zwischen Enttäuschung, Zorn, Hoffnung und der verbindenden gemeinsamen Vergangenheit. Im Film dann sehen wir ein verhindertes Hochzeitspaar, das, durch ein langes Band aneinander gebunden, auf endlosen Wegen durch (zugegeben äußerst schöne) Herbst- und Winterlandschaften zieht, ständig in veränderten Kostümen, schicksalhaft verkettet, leidend in der Unfreiheit und dennoch getrieben von einem inneren Impuls und der Aussicht, vielleicht doch noch einmal zueinander zu finden. Drumherum spielen sich andere kleine Geschichten ab: Eine Frau wartet Jahrzehnte auf einen Mann, jeden Mittag mit dem Essen auf einer Bank. Dieser Mann ist mittlerweile ein Yakuza geworden (Anlaß zu einem kurzen und wenig ausgegorenen Ausflug in Takeshis altbekannte Welt) und durch Zufall trifft er wieder auf die Frau, erkennt schlagartig, welche Hoffnungen er ihr einst gemacht hat und wie gedankenlos er damit umgegangen ist. Und dann gibt es noch eine dritte, allerdings kaum ausgearbeitete Episode um eine Popsängerin, die bei einem Unfall verunstaltet wird.

 

   Alles für sich genommen ganz nett und durchaus zum Teil mit Tiefgang, doch in dieser Form zusammengerafft haben mich die Geschichten nicht besonders bewegt. Kitano setzt auf Langsamkeit, was in diesen hektischen Zeiten sicherlich eine große Tugend ist, aber vor allem im letzten Drittel zieht sich die Odyssee des Paares durch die Lande endlos dahin, und zumindest für mich ist dabei kaum etwas herübergekommen mit Ausnahme der schönen Bilder. Die zugrundeliegenden Absichten mögen schon klar sein – eine Reflektion über elementare zwischenmenschliche Zustände und Gefühle, jeglicher konkreter Zeitbezüge enthoben - obwohl die Episoden im Hier und Jetzt angesiedelt sind, haben sie einen archaischen Charakter. Die Japaner haben aus solchen Stoffen schon etliche Meisterwerke hervorgebracht, nur waren die dann aufregender, fesselnder als dieser Film, der mir fremd geblieben und für mich irgendwie in weiter Ferne abgelaufen ist, so wie eine Vision am Horizont, hübsch anzusehen, aber doch unverbindlich. (18.11.)