Ganz und gar von Marco Kreuzpaintner. BRD, 2002. David Rott, Mira Bartuschek, Hanno Koffler, Maggie Peren, Oliver Boysen, Diana Amft, Herbert Knaup, Ruth Glöss
Filme über Freundschaft und Liebe und die unendlich vielen und langen Irrwege dorthin können die Deutschen mittlerweile auch richtig gut. Sie schaffen es sogar (was ihnen früher nur einmal in zehn Jahren gelungen ist), eine Balance zu finden zwischen Komik, Realismus, Romantik und Ernsthaftigkeit, und sehr viele sehr schöne Filme halten diese Elemente wirklich gut im Gleichgewicht, unterhalten, amüsieren und bewegen zugleich, zeigen ein Stück deutsche Realität, ein Stück deutsche Befindlichkeit, mischen dies aber locker mit Leichtigkeit, Humor und genug Träumerei, daß keiner auf die Idee käme, hier wieder nur tristes teutonisches Betroffenheitskino zu sehen.
Hier ist ein neues Exemplar dieser Gattung, eine Geschichte aus der brandenburgischen Provinz, eine Geschichte von Jungs und Mädels, von einigen, die gern heiraten und schnell Kinder machen und anderen, die lieber noch länger ungebunden bleiben möchten, und von den diversen Schwierigkeiten, die richtigen Puzzleteilchen zueinander zu fügen. Torge, ein sonniger Zimmermann, der das Leben und die Mädels liebt und irgendwelchen Verpflichtungen in amourösen Dingen gern aus dem Weg geht, muß seinen Lebensstil radikal ändern, als er eines Tages vom Gerüst stürzt und einen Unterschenkel dabei verliert. Zunächst gibt er den zynischen, grimmigen Krüppel, bis er fast alle Freunde und Freundinnen vergrätzt hat und sich selbst schon nicht mehr leiden kann, aber schlußendlich kriegt er noch die Kurve, bekennt sich zu seinen wahren Gefühlen, übernimmt Verantwortung, stellt sich den Realitäten des Lebens und kriegt dann auch das Mädchen seiner Träume und seine alten Kumpel wieder zurück.
Abgesehen von der für mich ungeklärten Frage, warum so eine Geschichte eigentlich immer in ein monumentales, totales Happy End münden muß, ist dieser Film sehr schön aus den oben genannten Gründen. Hervorragende junge und sehr echt wirkende Schauspieler bringen die gesamte Palette der Gefühle direkt und sehr realistisch auf die Leinwand, das eher kleinbürgerliche und verpennte Kleinstadtmilieu kommt authentisch rüber, das Timing stimmt auch, nur ganz selten, wie zum Beispiel bei dem ziemlich unmotivierten Wasserballett der Jungs gegen Ende, geht ein Gag mal daneben und wirkt hier fehl am Platze. Beide Geschlechter haben die Möglichkeit, in ihrer Ecke zu bleiben und sich mit ihrer peer group zu identifizieren – die einen mit den ewigen Jungs, die abends zusammen einen trinken und von der Brücke auf die Lastkähne springen, die anderen mit den Mädels zwischen Umkleideraum, Disko und Hochzeitsvorbereitungen – und niemand wird sich diffamiert oder veralbert fühlen, alle werden mit Liebe und Respekt behandelt, so wie es nur in den guten Filmen dieser Gattung Sitte ist. Und so einer ist das hier – amüsiert und gerührt zugleich verläßt man den Saal und freut sich schon auf den nächsten Film in dieser Art. (8.6.)