Good bye, Lenin! von Wolfgang Becker. BRD, 2002. Daniel Brühl, Katrin Saß, Chulpan Khamatova, Maria Simon, Florian Lukas, Alexander Beyer, Michael Gwisdek, Burghart Klaußner

   Was für eine Idee! Weil Mama nach einem Herzinfarkt acht Monate lang im Koma lag, ausgerechnet den Mauerfall, den Zusammenbruch der DDR und die Wiedervereinigung verpaßt hat, nun aber in der Rekonvaleszenz von jeglicher Aufregung strikt ferngehalten werden muß, setzt Sohnemann Himmel und Hölle in Bewegung, um Mama eine heile DDR-Welt vorzugaukeln, während um ihn herum, oder besser außerhalb der 79 qm Plattenbau, das neue Zeitalter von Freiheit und unbeschränktem Konsum fröhliche Entstand hält. Immer steht das ganze Kartenhaus ganz kurz vor dem Zusammenbruch, und doch schafft es der wackere Alex, daß Mama schlußendlich als glückliche Bürgerin des Arbeiter- und Bauernstaates stirbt und als Asche in den Himmel über Berlin geschossen wird.

   Auf so was muß der Mensch wirklich erstmal kommen. Einen besseren Trick für die ultimative Komödie zum Untergang der Zone kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen, und schon allein dafür gebührt den Drehbuchleuten allerhöchstes Lob. Und noch einmal soviel Lob muß Wolfgang Becker als Regisseur allein auf sich nehmen, denn was er dann daraus gemacht hat, ist eben keine platte, flotte, massenkompatible neue deutsche Comedy, sondern ein ausgesprochen gefühlvoller Film, der so gekonnt, wie man es in deutschen Landen nur höchst selten sieht, Tragisches und Komisches vereint, und zwar so vereint, daß die beiden Elemente nicht fremd nebeneinander stehen bleiben, sondern ineinander fließen zu einem wunderbar abgerundeten Ganzen. Die Mutter von Alex  und seiner etwas handfesteren Schwester Ariane ist zugleich eine rührende, traurige und auch sehr komische Figur, sie wird einerseits furchtbar betrogen und andererseits wird ihr vielleicht das Leben für ein paar Wochen und Monate gerettet, weil ja wirklich niemand weiß, ob sie die grausame – für sie grausame – Wahrheit verkraften würde. Die aufrechte, mit heißem Herzen engagierte Kämpferin für den real existierenden Sozialismus glaubt auch dann noch an die Idee und das System, als sich fast all schon abwenden oder sich zumindest skeptisch äußern. Wie wir später erfahren, hat sie ihr Leben in den letzten zehn Jahren auf einer Lüge aufgebaut, und nun hat sie fest die Augen geschlossen, um nicht auch noch die große Lüge um sich herum täglich erkennen zu müssen. Ihr Sohn Alex ist auch so ein Tagträumer, einer, der auch noch eher zwischen den Blöcken lebt und sich bezeichnenderweise sehr intensiv in seine neue Aufgabe vertieft, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen, oder besser, sie nicht erst sterben zu lassen. Auch in ihm klingt dabei eine Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit an, die zwar die skurrilsten Blüten treibt, im Kern aber durchaus ernst genommen werden muß. Um ihn herum finden sich findige Geschäftemacher, die sich rasch mit den veränderten Bedingungen angefreundet haben, und die vielen Gescheiterten, die Verlierer, die Desillusionierten, die am Fernsehen den Jubelfeiern zuschauen, selbst aber nicht zum Feiern imstande sind, weil sie mehr verloren als gewonnen haben. Dabei ist dies durchaus kein Film für Ostalgiker – es gibt reichlich ziemlich bissige Kommentare zur alten DDR und zu der Art ihres Auftretens bis zum bösen Ende – aber es ist auch kein Film der Denunziation. Es wird kein Zweifel daran gelassen, daß die DDR absolut zu Recht untergegangen ist und dies schon viel eher hätte tun sollen, doch ebensowenig wird behauptet, daß die Wiedervereinigung nur Gewinner geboren hat und zu jedermanns Wohl gewesen ist.

 

   Dies wird wie gesagt mit fabelhaft viel Gefühl inszeniert und gespielt. Es gibt sehr emotionale Momente, die durchaus Züge einer tiefgehenden privaten und familiären Tragödie ahnen lassen, und umwerfend witzige, einige ganz schnelle Gags so nebenbei und dann wieder genüßlich aufgebaute und durchgespielte Sequenzen, die zum komischsten gehören, was ich in den letzten Jahren in deutschen Filmen gesehen habe. In diesem Fall ist es die perfekte Mischung, die es macht, und die stimmt hier wirklich bis ins letzte Detail. (23.2.)