Xingfu Shiguang (Happy Times) von Zhang Yimou. China, 2001. Zhao Benshan, Dong Jie, Li Xuejian

   Zhang Yimou ist seiner Linie treu geblieben – die Abkehr von den großen, bildgewaltigen, archaisch-wuchtigen Dramen der ersten Jahre scheint endgültig zu sein, ebenso endgültig wie seine Hinwendung zu einem anderen, einem moderneren China. Mal war es ein ländliches, diesmal geht es um die Stadt, irgendeine große, wimmelnde Stadt, aus der sich Zhang einfach ein paar kleine Leute herausgepickt und ihre Geschichte erzählt hat.

   Herr Zhao möchte mit allen Mitteln heiraten, und seine Freunde und Kollegen wissen schon, worauf das hinausläuft: Um irgendeine Kandidatin zu locken, wirft er sich in horrende Unkosten, pumpt Gott und die Welt um Geld an und steht schlußendlich ohne Frau und mit noch mehr Schulden da. Diesmal hat’s ihm eine Dicke angetan, und da geht er so richtig in die Vollen. Er tischt ihr ein abenteuerliches Märchen auf von einem Hotel, das ihm gehört und wer weiß was für Reichtümern, und als ihm die Dicke eine ungeliebte und auch noch blinde Stieftochter präsentiert, die sie am liebsten loswerden will, bietet er sich großspurig an, die Kleine bei sich im Betrieb unterzubringen. Klar, daß all diese Lügen eines Tages auf ihn zurückfallen, doch zum Glück hat er ein paar wackere Freunde, die ihm helfen, seine verrückten Ideen in die Tat umzusetzen, und außerdem hat er das Herz am richtigen Fleck, was auch das Mädchen spürt und einsieht.

   Aus einem etwas geschwätzigen und nervigen Auftakt schält sich wie durch ein Wunder eine sehr warme, poetische, tragikomische Freundschafts- um nicht Liebesgeschichte sagen zu müssen, denn zwischen Zhao, der die Fünfzig weit überschritten hat, und dem zarten achtzehnjährigen Mädchen existiert ja keine Liebesbeziehung. Es geht eher um Freundschaft, Zuneigung, Suche nach Geborgenheit, um Treue, Ehrlichkeit und Vertrauen und um Solidarität in Notlagen. Zhao schneidet auf, spuckt ununterbrochen große Töne, errichtet ein Luftschloß nach dem anderen und läßt sich offenbar nie und durch keinen noch so herben Rückschlag bremsen in seinem unerschütterlichen Vertrauen darauf, daß am Ende alles gut sein wird. Dieser durch nichts zu beirrende Optimismus und sein Glaube an das Gute und den Erfolg machen ihn zu einem entwaffnend netten Spinner, der, wenn man es bei Tageslicht betrachtet, durch seine Manöver und Lügen schon einigen Schaden anrichten kann, der aber auch ganz und gar kein verantwortungsloser Mensch ist. Als ihm bewußt wird, daß die Dicke (mitsamt ihrem noch fetteren Sohn eine fiese Schlampenkarikatur) ihn auf dem Mädchen hat sitzen lassen, wissen auch wir, daß er es nie über’s Herz bringen würde, sie wieder abzuschieben. Seine ganzen Tricks haben etwa rührend Naives, grotesk Skurriles an sich, sie sind nicht bösartig, nicht im negativen Sinne berechnend. Er ist bei alledem ein guter Kerl. Und er schafft es doch, die so verschlossene, einsame, vielfach gedemütigte Wu zum Lächeln zu bringen. Wenn dieses schmale Gesicht lächelt, geht tatsächlich die Sonne auf, und so geschieht es einige Male in diesem Film, und immer sind dies wunderschöne, zärtliche Momente. So, als reiße der Vorhang eines sonst eher nüchternen oder ironischen Milieufilms plötzlich auf, und ein tiefes, warmes Gefühl strömt über die Leinwand, direkt auch über uns Zuschauer hinweg. Sehr schön ist das.

 

   Zhang wirft durch diese Leute einen Blick auf das ganz moderne städtische China, und dieser Blick gewährt uns eine ganz neue und tiefe Einsicht in die Lebenskultur, den Lebensstandard, die Lebensumstände, die für ganz viele Chiensen das tägliche Brot bedeuten. Diese Leute leben und wohnen sehr einfach, haben als normale Arbeiter oder schon Pensionäre kaum Geld und schauen von fern mit viel Respekt auf die glanzvolle schillernde Welt der Erfolgreichen und Schönen, ein Welt, die für sie absolut unerreichbar und fremd bleibt. Ihre Bildung ist sehr begrenzt, in ihrer gesamten Haltung sind sie bescheiden, ein bißchen demütig und zurückhaltend, unter Ihresgleichen haben sie Spaß, doch im großen Gefüge der Gesellschaft sind sie kleinste Einzelteilchen. Indem Zhang seinen Film ausdrücklich nur mit solchem Personal bestückt, trifft er eine klare Aussage was seine Interessen und Prioritäten angeht. Sie liegen nicht im coolen, gestylten urbanen Hightechdschungel, und so ist auch sein Bildersprache: Einfach, klar, ruhig, ohne technischen Zinnober, der am Ende nur den Blick auf die Menschen verstellt. So sind seine letzten Filme längst nicht mehr von jener optischen Brillanz und dramatischen Virtuosität wie die großartigen ersten Filme, aber sie führen uns ganz nahe an ein China heran, das sich bei uns im Westen bislang ja auch nur sehr kalkuliert und selektiv dargestellt hat. Jetzt sieht man, sie können auch anders, sie geben zu, daß es ganz viele Menschen da gibt, die sehr einfach und arm leben, und man sieht vor allem, daß die Chinesen Humor haben und über sich selbst lachen können. Zhang gelingen ein paar herrlich skurrile, verschmitzte oder einfach verrückte Szenen, in denen deutlich wird, daß im Land des Lächelns auch tatsächlich gelacht werden darf. Sehr beruhigend, oder? (16.1.)