Master and commander (#) von Peter Weir. USA, 2003. Russell Crowe, Paul Bettany, Billy Boyd, James d’Arcy, Lee Ingleby, George Innes
Jaja, die alten Seefahrer, die rauhbeinigen, todesmutigen, tollkühnen Kapitäne zwischen knarzenden Masten, im Wind flatternden Segeln und ausgeliefert dem Unbill der See und der feindlichen Geschosse, heimgesucht höchstens vom Schicksal eines Kriegers oder von einer Frau, die irgendwo daheim in Plymouth wartet, diese prachtvollen Mannsbilder also haben schon immer beliebte Blaupausen für farbenprächtige, pulverdampfende und seemannsgarnspinnende Abenteuerschinken abgegeben, und wenn dann wie im Falle Erroll Flynns oder auch Burt Lancasters schon mal ein Schuß Ironie, oder wie bei Gregory Peck echte Würde und Stil mit im Spiel waren, konnte das sogar richtig viel Spaß machen.
Nun ist Peter Weir eigentlich kein wirklicher Spaßmacher – Komödien sind rar gesät in seinem vielfältigen Werk, und diejenige, an die ich mich überhaupt erinnern kann, „Green card“ nämlich, zählt zweifelsfrei zu seinen schwächsten Filmen. Der Mann hat es eher mit ernsthaften, auch schon mal anspruchsvollen Stoffen, und er kann vor allem vorzüglich Geschichten erzählen und zwar so interessant, daß selbst potentiell gar nicht mal so aufregende Stoffe unter seiner Regie zu sehr spannenden Angelegenheiten werden können.
So wie der hier: Ein englisches Kriegsschiff kreuzt während der napoleonischen Kriege irgendwo um Brasilien herum auf der Jagd nach einem Franzosen. Man spielt längere Zeit Versteckt im Nebel und sonstwo, verstrickt sich in ein kurzes, eher verlustreiches Gefecht, und besiegt die eigentlich Gegner schließlich nur mit Hilfe einer List, um dann mit der Beute von dannen zu segeln. Das hat man schon des öfteren gesehen, und auch die zwischendurch präsentierten Zutaten hat Weir mit vollem Bewußtsein dem gängigen Kanon des Genres entnommen: Tagelange Flauten unter fiebriger Sonne, eine gereizte Mannschaft, in der sich kleinere und auch dramatischere Positionskämpfe abspielen, das nervenzerrende Katz und Mausspiel mit dem feindlichen Schiff, der Aufbruch zu neuen Ufern und neuen Naturereignissen (hier sind es die Galapagosinseln mitsamt ihrer skurrilen Fauna), und die kontroverse Freundschaft zweier gänzlich unterschiedlicher Männer an Bord: Der Kapitän, naturgemäß ein Mann der Tat, der knappen Worte, ein mutiger Held mit dem Herz am rechten Fleck (eindeutig eher ein Gregory Peck à la Hornblower), und auf der anderen Seiet der Schiffsarzt, ein gebildeter Gelehrter und begeisterter Forscher, der immer ein Fähnchen des Zweifels in den Wind hängt und jede Meinung des Captains mit einer Widerrede konterkariert, wobei dies eher ein Spiel ist und den beiden Männern dazu dient, sich gegenseitig zu neuen Ideen anzustacheln. Drumherum werden noch ein paar Charaktere ausgestaltet, vor allem ein paar jüngere Besatzungsmitglieder, Kinder fast noch, deren Perspektive die kriegerischen Aktionen oft in einem besonders schlimmen Licht erscheinen lassen. Aber auch das alles ist nichts Besonderes und nichts Neues, neu ist eher, daß Peter Weir sehr wenig Anstrengungen unternommen hat, um aus diesem im Grunde recht konventionellen Stoff einen konventionellen Unterhaltungsfilm mit eingebauter Erfolgsgarantie zu machen. Er skizziert die ohnehin sehr sparsame Handlung eher, skizziert auch die ganzen historischen Hintergründe nur beiläufig, er verzichtet auf Ausstattungselemente und flamboyante Aktionen, auf Glamour und die erotische Komponente – es kommt tatsächlich gar keine Frau vor in diesem Film! -, kurz auf alles was solche Filme normalerweise ausmachen sollte. Er konzentriert sich, und darin liegt seine Stärke und auch seine Originalität, ganz und gar auf diese eine Situation, auf das eine Schiff und die eine Besatzung, er läßt jeglichen Ballast weg, es gibt keine tragischen Geschichten aus der Vergangenheit, keine düsteren Erinnerungen, die ihren Schatten werfen und schon gar keine Rückblenden, die irgendwas erklären sollen, es gibt nur das Hier und Jetzt, die paar Tage und Wochen, in denen das französische Schiff verfolgt, beziehungsweise in denen vor ihm geflohen wird, man wird direkt und unvermittelt in die Story hineingeschubst, und ebenso offen endet sie eigentlich auch. Fotogene Action kommt lediglich zu Beginn und am Ende vor – da dann allerdings als furios gefilmter Höhepunkt, der die Fans physischer Betätigung wenigstens kurzzeitig zufriedenstellen dürfte. Ansonsten ist der Film sehr ruhig und gemessen, dümpelt teilweise ganz so wie das Schiff auf glatter, flauer See, und beschäftigt sich mit dem Miteinander der Männer auf so engem Raum, mit ihren täglichen Verrichtungen und den ebenso alltäglichen Konflikten. Tiefergehende Charakterporträts werden nur zögerlich versucht, Weir bleibt vielleicht vielfach ein wenig zu sehr an der Oberfläche, vor allem was den Captain Aubrey angeht, und dennoch ist ihm ein außerordentlich spannender, bemerkenswert gut getimter und atmosphärisch höchst intensiver Film gelungen, der gerade durch seine Reduktionen so interessant ist, der viel Wert legt auf eine detailliert genaue Beschreibung des Lebens auf einem Kriegsschiff vor zweihundert Jahren, und der über zwei Stunden lang ganz eng am Geschehen bleibt, auch im finalen Schlachtgetümmel, wo es dann doch recht blutig zugeht. Nicht gerade ein Film für einen kurzweiligen Popcornabend im Kino, und nach einer thematischen oder sonstigen Kontinuität in Peter Weirs Filmographie darf man auch besser nicht fragen, aber einmal mehr ein Beispiel für des Regisseurs souveräne Erzähl- und Gestaltungskunst und ganz sicher kein Durchschnittsmachwerk aus der sogenannten Traumfabrik. (8.12.)