Phone booth (Nicht auflegen) von Joel Schumacher. USA, 2002. Colin Farrell, Radha Mitchell, Forest Whitaker, Kiefer Sutherland, Kelly Holmes

   Stu hat ein Problem: Er steht in der letzten New Yorker Telefonzelle, von wo er seine Geliebte anruft, damit Mutti daheim nichts mitbekommt, und plötzlich hat er einen Psychopathen an der Strippe, der behauptet, ein Präzisionsgewehr auf ihn zu richten, und der nun gewisse Forderungen stellt, nämlich die, daß Stu reinen Tisch machen, seine Sünden beichten, sein Leben in Ordnung bringen soll. Was Stu zunächst für einen schlechten Scherz hält, entpuppt sich leider als bitterer Ernst.

 

   Die Idee ist mal was anderes und eine nette Abwechslung in Zeiten hochgerüsteter und genauso ermüdender  Effektspektakel: Wir reduzieren den Handlungsort auf einen kleinen Straßenzug in NYC, eher noch auf eine Telefonzelle und die paar Quadratmeter Asphalt drumherum, und erzeugen Spannung nur aus einer einzigen Situation heraus. Daß diese vergleichsweise sehr intime Situation dann doch wieder eskalieren muß – mit einem lächerlich riesigen Polizeiaufgebot, einem riesigen Medienaufgebot und dem damit verbundenen Rummel – ist einer unglücksseligen Tradition geschuldet, die besagt, daß nur wirklich spannend sein kann, was laut und groß ist. Joel Schumacher ist dieser Tradition von jeher eng verbunden gewesen, und so ist auch dieser Film viel lauter und größer geworden, als ich es mir gewünscht hätte. Mit ein paar ganz echt irre hippen und aktuellen Gimmicks geht’s sehr reißerisch und rasant los, wahrscheinlich um die Kids erst mal heiß zu machen, man stürzt direkt rein ins New Yorker Leben, und erst wenn die eigentliche Geschichte los geht, beruhigt sich die Hektik und man hat ein wenig Muße, sich auf die Beteiligten und ihre Motive einzulassen. Hier wäre allgemein etwas Beschränkung geboten gewesen, aber von einem wie Schumacher erwarte ich das gar nicht erst. Auch die moralische Einlage – fieses Yuppiearschloch wird geläutert und verspricht seiner Gattin (und natürlich nicht der Geliebten!) am Schluß ewige Liebe und Treue und seinen Mitbürgern darüber hinaus ganz allgemein, ein besserer Mensch zu werden – kommt mir wie gewohnt zu dick aufgetragen und unnötig daher, aber in der Tat habe ich mich schon im Verlauf des Films gefragt, wie man bitteschön diese Story auflösen will ohne ein wüstes Blutbad oder irgendeinen anderen absurden Trick. Immerhin – und das muß man einem Hollywoodregisseur ja schon hoch anrechnen dieser Tage – gibt es kein Blutbad, sondern einen halbwegs netten Trick, der den Killer leben und als wandelndes Gewissen in Stus Leben erhalten bleiben läßt, aber hundertprozentig überzeugend war das nicht. Immerhin gibt es doch einige Momente höchster Aufregung, und Colin Farrell spielt so eindringlich, daß man schließlich nicht umhin kann, doch ein wenig Mitgefühl zu entwickeln, obgleich er uns in den ersten Minuten als Abziehbild eines unsympathischen, egozentrischen, verlogenen und total oberflächlichen modernen Geschäftsmachers präsentiert wird. Daß er sich erst unter größtem Druck und in höchster Lebensgefahr zu seinen Schandtaten bekennt und live im TV Besserung gelobt, könnte doch als nettes Vorbild für Nachahmer dienen. Also Vorsicht in Telefonzellen, erst recht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo scheinbar jeder Beliebige über Hightechkenntnisse und die entsprechende Bewaffnung verfügen kann. (4.9.)