Pigs will fly von Eoin Moore. BRD, 2002. Andreas Schmidt, Laura Tonke, Thomas Moore, Kirsten Block
Laxe aus Berlin ist Polizist und prügelt seine Frau regelmäßig krankenhausreif. Er besucht seinen Bruder Walter in San Francisco, lernt dort ein anderes Leben, eine andere Frau, Inga, kennen und sieht sich mit einigen Ursachen für seine unkontrollierte Gewalttätigkeit konfrontiert. Doch er kann sich nicht ändern – er übernimmt ungebeten die Lebensplanung für die junge und ziemlich ziellose Inga, beobachtet mit wachsender Eifersucht ihr gutes Verhältnis zu Walter und bleibt trotz der friedlichen Beatnickumgebung sehr angespannt. Die Frau daheim zeiht zwar ihre Anzeige zurück, doch sie verläßt ihn. Er geht wieder rüber nach Kalifornien, und als seine Eifersucht überhand nimmt, schlägt er auch Inga brutal zusammen und kann sich selbst nur mit Mühe daran hindern, von der Golden Gate Bridge zu springen.
Das beängstigend intensive und realistische Porträt einer Familienhölle und ihrer schrecklichen Folgen. Walter, der drüben als Dichter ein mageres Dasein fristet, bringt Laxes und seine Situation in einem freien Sprechpoem auf den Punkt: Der wild prügelnde Vater, Laxe als der ältere Bruder zum einen voller Liebe für den Vater und zum anderen voller Angst. Einst eingesperrt in einen kleinen Schrank, kann er seit dem nicht mehr im Dunkel schlafen, doch ist er beim Vater geblieben, während Walter mit der Mutter wegging, was Laxe ihm nicht verziehen hat. Laxe kennt nämlich noch eine andere Wahrheit, nämlich daß die Mutter den Vater oft betrogen hat, aber vielleicht ist das auch nur eine ganz private Wahrheit. Auch den eigenen Terror deckt er mit solchen Wahrheiten, legt sich ein hochgradig neurotisches, selbstgerechtes Weltbild zu, und unter der freundlichen, lockeren und kumpelhaften Fassade kocht unglaubliche Aggressivität. Wie Andreas Schmidt das spielt, ist schon sehenswert, umso mehr, wenn man sich daran erinnert, wie er sonst so als liebenswürdiger Hallodri durch die Filme Moores geschlendert kommt. Sowohl die Berliner Szenen im trostlosen Plattenbaughetto als auch die Episoden aus San Francisco sind sehr überzeugend und eindringlich inszeniert und nicht nur von Schmidt außerordentlich gut gespielt. Moore legt zwar die Hintergründe für Laxes fürchterliche Ausraster bloß, doch benutzt er dies nicht als Abschwächung oder Entschuldigung. Wir können uns sehr gut vorstellen, wie Laxe als Junge unter seinem Vater gelitten hat, und daß diese traumatische Erfahrung ihn auf Lebenszeit aus dem Gleis geworfen hat, doch ändert das nichts für die Opfer, die ihm sehr lange noch Liebe und Vertrauen entgegenbringen, am Schluß aber so brutal gedemütigt und mißhandelt werden, als wolle Laxe bewußt alle Gefühle, alle Zuneigung vernichten. Er zerstört nicht nur andere Menschen, sondern auch sich selbst, er haßt und bestraft sich jedesmal selbst, wie sehen und spüren es, können für ihn jedoch nur bedingt Mitleid und Verständnis aufbringen, weil eben das Leiden seiner Opfer so drastisch daneben steht. Besonders in dieser Hinsicht ist der Film sehr bemerkenswert – er konzentriert sich stark auf den Täter, bleibt ihm sehr nahe und zeigt ihn durchaus nicht nur als tyrannisches Monstrum, doch ist er auch objektiv und klar genug, um das destruktive, egozentrische und äußerst erniedrigende Verhalten Laxes zu keiner Zeit zu relativieren. Nicht gerade leichte Kost, dafür aber ein Eindruck, der bleiben wird und wahrscheinlich Moores bislang überzeugendster Film. (4.5.)