Rosenstraße von Margarethe von Trotta. BRD/Holland, 2003. Katja Riemann, Maria Schrader, Jürgen Vogel, Doris Schade, Jutta Lampe, Fedja von Huêt, Martin Feiffel, Lena Stolze, Jan Decleir, Jutta Wachowiak, Hans Peter Hallwachs

   Eine Geschichte zwischen dem New York von heute und dem Berlin von 1943, zwischen einer modernen jüdischen Emigrantenfamilie in den USA und dem Schicksal einer jüdischen Familie im Nazideutschland. Es geht um die Auseinandersetzung mit einer kollektiven und der eigenen, privaten Vergangenheit, um Spurensuche, um Erklärungsversuche, um eine Mutter-Tochter-Beziehung und ihre Aufarbeitung und vor allem um viel Emotionen. Zwischen der schrecklichen Tragödie, die über die Juden hereinbrach und dem Einzelfall, dem Haus in der Berliner Rosenstraße, das für kurze Zeit als Zwischenlager für noch zu deportierenden Juden benutzt wurde, und vor dem sich eines Tages zahlreiche Ehefrauen, Mütter, Töchter, andere Angehörige einfinden, um die Freilassung ihrer Ehemänner, Söhne, Väter, Mütter zu fordern. Diese Menschen stehen Auge in Auge mit Maschinengewehren und –pistolen, mit brutalen Mördern und eiskalten SS-Leuten, und sie können nicht verhindern, daß viele doch in den Tod geschickt werden, aber letztlich kommen dank der enormen Courage, der verzweifelten Entschlossenheit und Unbeirrbarkeit der Frauen doch einige frei, finden einige der getrennten Familien und Paare wieder zusammen.

 

   Aus dieser Gruppe von Menschen werden einige herausgesucht und in dieser Geschichte vorgestellt, die also zwischen zwei Handlungsorten und zwei Zeitebenen pendelt, die sich zu beginn damit ein wenig schwer tut, zumal die anfänglichen New Yorker Szenen eher behäbig und unnötig wirken, die aber spätestens dann ihre Wirkung entfalten kann, wenn von damals erzählt wird, wenn mit vergleichsweise sparsamen und dennoch sehr effektiven Mitteln die Zeit zurückgedreht wird, die Leute von damals in den Mittelpunkt treten. Natürlich ist diese Geschichte sowieso immer wieder so stark und aufwühlend, daß man sich auch dann nicht in Gleichgültigkeit zurückziehen kann, wenn man dergleichen schon sehr häufig gesehen hat, doch darüber hinaus sind von Trotta auch außerordentlich intensive und beeindruckende Momente gelungen, so wie schon lange nicht mehr in ihren letzten Filmen. Es fesseln die eindringlichen Gefühlsdarstellungen, die trotz aller Stärke und Dichte niemals aufdringlich oder überzogen sind, und die durch das exzellente Spiel der Darsteller zusätzlich sehr viel gewinnen. Katja Riemann hat endlich mal wieder eine ernste, herausfordernde Rolle und sie zeigt, wieviel Potential in ihr steckt. Maria Schrader brilliert wie gewohnt mit ihrer Ausstrahlung, Jürgen Vogel kommt diesmal ohne die unvermeidliche Spur Exzentrik aus, Doris Schade und Jutta Lampe steuern fein ausgewogene Charakterstudien bei, und auch in den Nebenrollen finden sich illustre und hervorragende Schauspieler, die ihre Arbeit wirklich verstehen. So hat sich von Trotta eine künstlerische Basis geschaffen, die der Film dringend benötigt, um nicht ins Banale, Kolportagehafte zu entgleiten, so ist aus ihm ein eindrucksvolles, tief bewegendes, wirklich anrührendes Drama entstanden, das vor allem dann überzeugt, wenn es in der Zeit ist und sich mit der Brücke in die Gegenwart ein wenig schwerer tut, weil natürlich die Gewichtungen, die Schicksale, die Ereignisse dieser beiden unterschiedlichen Zeiten nicht vergleichbar sind, und man unweigerlich immer wieder darauf wartet, daß von damals weiter erzählt wird, zumal der New Yorker Teil der Story eher etwas dünn und zwangsläufig wenig ausgegoren ist. Das stört allerdings nicht sonderlich aus oben genannten Grünen, und alles in allem denke ich, daß ich lange keinen so überzeugenden und kraftvollen von-Trotta-Film mehr gesehen habe. Gut, daß die alte Tante ihre Qualitäten noch nicht auf der Strecke gelassen hat. (7.10.)