Eine Zwergschule irgendwo in der Auvergne – ein Lehrer und eine kleine Handvoll Kinder, die einen gerade eingeschult, die anderen auf dem Sprung ins Collège und damit hinaus aus dieser kleinen, hinein in die große Welt. Dies ist eine der Geschichten, die hier erzählt werden, die vom Sprung ins Leben, vom Abschied, vom Lehrer, der seine Kinder entläßt und wie er ihnen nachschaut am letzten Schultag und sich vielleicht fragt, was aus ihnen werden mag. Andere Geschichten handeln vom Wechsel der Jahreszeiten, vom Rodeln, vom einsamen Winter, von den Heuballen im Sommer, vom Schreiben- und Lesenlernen, vom Miteinander der unterschiedlichen Temperamente und Begabungen, von witzigen kleinen Zwischenfällen und immer wieder davon, wie es ist, wenn man so in einer einzigen Klasse und mit so wenig Leuten miteinander auskommen muß.
Philibert tut nicht mehr, als die wenigen Menschen hier mit Liebe und Ruhe zu beobachten, sich Zeit zu lassen für einzelne Situationen, Raum zur Entfaltung zu geben, den Kindern seine Aufmerksamkeit zu schenken und darüber hinaus auch das Drumherum, die wunderschöne Landschaft mit ihren verschiedenen Stimmungen nicht zu vergessen. Wenn ich sage „er tut nicht mehr als das“, heißt das natürlich schon eine ganze Menge, denn welcher Dokumentarist gibt sich schon soviel Mühe, ist so einfühlsam und geduldig und vertraut dem Projekt so sehr, daß er auf Lautes und Repräsentatives voll und ganz verzichten kann? Es geht um nicht mehr und nicht weniger als das Leben dieser wenigen Menschen in der französischen Provinz, um ihr gegenseitiges Vertrauen, ihre Liebe, ihr täglichen kleinen Auseinandersetzungen und eben darum, daß diese behütete Kindheit eines Tages beendet sein muß, was der Lehrer den Betreffenden schlußendlich auch sehr deutlich zu verstehen gibt. Er hat noch die Möglichkeit, auf jeden einzelnen nach seinen Fähigkeiten und Stärken und Schwächen einzugehen, auf der höheren Schule wird dies nicht mehr möglich sein, dort wird niemand sein, der sie an der Hand nimmt und, wenn nötig, sie auch schon mal in den Allerwertesten tritt. Dies ist vielleicht die schwierigste Aufgabe des Lehrers, diesen Abschied vorzubereiten, die Kinder behutsam damit zu konfrontieren, daß sich ihr Leben in Kürze grundlegend ändern wird, daß eben ein Stück Kindheit verloren gehen wird. Es sind dies auch die intensivsten, bewegendsten Momente in dem Film, der sich ganz allgemein durch große Wärme, Zärtlichkeit und Menschlichkeit auszeichnet, so wie man sie in dieser fast programmatischen Form gar nicht mehr oft im Kino sehen kann. Sehr schön. (17.2.)