Swimming pool (#) von François Ozon. Frankreich/England, 2003. Charlotte Rampling, Ludivine Sagnier, Charles Dance, Marc Fayolle
Vor etlichen Jahren schickte Jacques Deray sein genial kalkuliertes Pärchen Schneider und Delon an einen Swimming-pool oberhalb der Côte d’Azur zum erotisch-kriminellen Geplänkel, alles sehr vorhersehbar und inhaltlich wenig originell, aber eben kassenträchtig durch die Besetzung und sehr gekonnt in der Atmosphäre.
Fünfunddreißig Jahre später stellt M. Ozon wiederum einen Swimming-pool in den Mittelpunkt einer wiederum erotisch-kriminellen Geschichte, und wieder besticht der Film durch die Schauspieler und die intensive, wunderbare Atmosphäre, diesmal in der Provençe, in der Nähe des Lubéron. Dort landet eines sonnigen Tages die erfolgreiche, aber ziemlich verbiesterte und zickige Krimiautorin Sarah, um mal etwas Entspannung und vor allem besseres Wetter zu tanken, denn daheim in London, denn die heimische Tristesse hat sich mittlerweile so auf ihr Gemüt gelegt, daß sie Probleme mit dem Schreiben bekommen hat. Das Landhäuschen ihres Verlegers und Freundes ist wunderbar, doch wird die ersehnte Ruhe alsbald gestört durch Julie, die Tochter des Besitzes, die unangemeldet hereinplatzt und die steife, abweisende Britin empfindlich nervt. Um so mehr, als die nächtlich wechselnden und recht lautstarken Männerbekanntschaften einerseits eine Lärmbelästigung darstellen und andererseits die verschlossen und prüde wirkende Sarah auch innerlich ein wenig aus der Fassung bringen. Als dann eines Morgens einer von Julies Freunden verschwunden ist, findet sie sich mitten in einem Kriminalfall wieder, der angeheizt wird durch andere geheimnisvolle Details aus Juleis Biographie und der ganz plötzlich die Lebensgeister der bis dato lethargischen Dame belebt.
Und unsereiner sitzt dort ziemlich vergnügt und angeregt im Kino, erfreut sich an den schönen Bildern, dem höchst elegant-frivol-hintergründigen Spiel, dem zunächst nur angedeuteten und erst allmählich konkreter werdenden Kriminalfall, der ständig steigenden Spannung zwischen diesen beiden sehr verschiedenen Frauen, der fast spürbaren Wärme der Provençe, dem intensiven, leuchtenden Licht, und selbst wenn die ganze Story irgendwann einen eigenartigen, ein wenig skurrilen, abgedrehten Kick erfährt, so schöpft man zunächst keinen Verdacht, bis dann zum Schluß Sarah wieder in London im Büro ihres Verlegers vorspricht und dort plötzlich auf dessen junge Tochter Julie trifft, die der französischen Julie ziemlich auffällig ähnelt. Bevor man dann weiter darüber nachdenken kann, ist der Film auch schon zu Ende, und erst im nachhinein wächst dann langsam aber sicher die Gewißheit, daß uns der gute M. Ozon für sehr lange Zeit ziemlich an der Nase herumgeführt haben könnte – ich sage könnte, weil dies wieder nur eine einzelne, nämlich meine Sichtweise ist. So habe ich tatsächlich nachträglich den Eindruck, daß Sarahs Erlebnisse in Südfrankreich mitsamt der männermordenden Julie, dem Swimming-pool, dem charmanten Kellner, der auch Sarah gefällt und all den kleinen und nicht minder bemerkenswerten Einzelheitren drumherum weitgehend der Fantasie der Schriftstellerin entsprungen sein können. Immer wieder finden sich Hinweise darauf, wie sie Inspirationen für ihre Krimis bezieht, wie neugierig, fast investigativ und darin durchaus indiskret bis rücksichtslos sie vorgehen kann. Tagebücher werden gelesen, Telefonate mit angehört, ständig steht Sarah irgendwo am Fenster, hinter der Tür, hinter einem Vorhang, um nur ja nichts vom prallen Leben dort draußen zu verpassen, schließlich werden Nachforschungen angestellt, Schlüsse gezogen, und ständig wird die Autorin vermutlich recht trivialer Krimis von ihrer Sensationsgier getrieben. Erst im Rückblick sieht man als Zuschauer ein, wie raffiniert dieses Porträt der Schriftstellerin eigentlich angelegt ist, und wie gut schon kleine, vereinzelte Hinweise zu der späten Auflösung passen. Und erst im Rückblick auch lernt man Charlotte Ramplings brillante Darstellung richtig schätzen, ihre muffelige, steife, arrogante Attitüde, die frontal auf die junge Julie prallt und eine Atmosphäre von Feindseligkeit, dann Konkurrenz und später Solidarität erzeugt, die mit feiner Ironie und sehr viel Gefühl für Atmosphäre in Szene gesetzt wird. Ein psychologischer Krimi erster Güte, ein Film der Zwischentöne, der Delikatesse, der Raffinesse mit einem Trick am Schluß, der allem noch die Krone aufsetzt und das Ganze vielleicht nur als besonders geschickt getarntes Spiel, als Produkt der Phantasie entlarvt. Doppelbödig nennt man das wohl, und außerdem ist es in allen Bereichen vorzüglich gestaltet, mit Stil serviert Eleganz, kurz gesagt so, wie es das französische Kino in Bestform fertig bringen kann. Nach seinem nicht minder fabelhaften Spaß „8 Frauen“ ist Ozon hiermit ein weiteres Meisterstück kultivierter Unterhaltung auf höchstem Niveau gelungen. Um so bemerkenswerter ist es dann, daß der gleiche Regisseur auch solch ernste, tiefgehende Filme wie „Unter dem Sand“ gemacht hat. (27.8.)