The Hours (#) von Stephen Daldry. USA, 2002. Meryl Streep, Julianne Moore, Nicole Kidman, Ed Harris, Stephen Dillane, Miranda Richardson, Claire Danes, Toni Colette, John C. Reilly, Jeff Daniels

   Drei Frauen, drei verschiedene Epochen, drei verschiedene Schauplätze, drei verschiedene Schicksale, die dennoch auf geheimnisvolle Weise miteinander in Verbindung zu stehen scheinen.

   1923 arbeitet Virginia Woolf im erzwungene ländlichen Exil an ihrem neuen Roman über eine Frau namens Clarissa Dalloway. Leonard hatte sie mit ärztlicher Hilfe hierher bugsiert, um ihre labile Gesundheit wieder auf Vordermann zu bringen, doch schließlich besteht Virginia auf die Rückkehr ins geliebte London. Achtzehn Jahre später geht sie dann ins Wasser und hinterläßt ihrem Mann einen langen Abschiedsbrief.

   1951 in Florida lebt Laura mit Mann und Kind in einer sterilen Vororthölle und sehnt sich nach einem neuen, einem, anderen Leben. Sie nimmt sich ein Hotelzimmer, um sich dort mit Tabletten zu vergiften, doch sie schafft es nicht. Statt dessen wird sie, wie wir erst sehr viel später erfahren, ihren Sohn und ihren Mann verlassen und in Kanada neu anfangen.

   2001 in New York lebt Clarissa mit ihrer Freundin und bereitet eine Feier zu Ehren ihres an Aids erkrankten Freundes Richard vor. Richard aber stürzt sich zuvor aus dem Fenster, und als Clarissa seine Mutter ausfindig macht und nach New York kommen läßt, erfahren wir, daß seine Mutter Laura ist und er der Junge, der einst verlassen worden war.

   Eine Frau schreibt einen Roman, in dem eigentlich die Hauptfigur, die Frau nämlich, sterben soll, entscheidet sich dann aber doch anders und bringt sich später aber selbst um. Eine andere liest Jahre später diesen Roman und entscheidet sich letztlich für das Leben, schluckt die Tabletten nicht. Eine dritte Frau, die wie die Heldin des Romans heißt und auch noch mit ihr verglichen wird, muß aus engster Erfahrung über Tod und Leben nachdenken und den Wert des Lebens neu festlegen. Das ist glaube ich, was man eine zugleich sehr pathetische und sehr kopflastige, literarische Konstruktion nennt. Und sowas muß man schon besonders gut inszenieren, damit die vielen Verknüpfungen und Parallelen, die vielen Szenen, in denen die Frauen alle in ähnlichen Situation ähnliches tun oder sich wenigstens irgendwie aufeinander zu beziehen scheinen, nicht sehr angestrengt, gekünstelt und gestelzt wirken. Und tatsächlich: Dieser Film ist hervorragend inszeniert und gestaltet, sowohl auf der reinen Wort-, wie auch auf der Bildebene, er ist zugleich hoch intensiv, sehr einfühlsam und emotional, streckenweise ausgesprochen bewegend und mitreißend, und natürlich von einem fabelhaften Ensemble brillant vorgetragen. Das fortwährende Ineinanderschachteln der drei Geschichten wirkt wunderbarerweise niemals künstlich, sondern wird so elegant und leicht vollzogen, daß man als Zuschauer letztlich in allen diesen Geschichten gleichermaßen zuhause ist. Obgleich mir die Figur Virginia Woolfs, die hier ja so etwas wie die geistige Mutter der beiden anderen Frauen darstellt, im Vergleich zu den anderen beiden bis zuletzt am wenigsten nahe gekommen ist, was aber sicherlich auch an der sowieso nicht gerade unkomplizierten Persönlichkeit der Autorin liegen mag. Dennoch werden die jeweiligen Lebenskrisen und –stationen aller drei Frauen gleichmäßig überzeugend und eindringlich dargestellt, auch in der Milieuzeichnung, die uns in drei ganz verschiedene Welten entführt: Das geistige, ländliche England in der Blütezeit der Moderne, das tote, uniforme, bis ins Mark konservative suburbane Amerika der fürchterlichen Fünfziger, und schließlich das aktuelle, vitale, vielgestaltige und stark krisengeschüttelte New York nach der Jahrtausendwende. Zu jeder Zeit galten für Frauen andere Gesetze und andere Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, mit denen sie sich jeweils auseinanderzusetzen hatten. Zu jeder Zeit herrschten andere Rollenschemata, vor allem in Hinblick auf die sexuellen Normen: Mit jeder der drei Frauen gibt es eine Szene, in denen sie eine andere Frau küßt, und während dies für Clarissa aus New York eine selbstverständliche Äußerung ihrer Gefühle ist, stoßen die anderen beiden Frauen natürlich auf weniger tolerante Reaktionen, wobei vor allem Laura in den Fünfzigern nicht die geringste Chance gehabt hätte, irgend etwas anderes auszuleben als ihre brave, rollenkonforme Heterosexualität.

 

   Es ist dies also ganz klar ein Frauenfilm, mal wieder einer von klassischem Format, mit drei grandios interpretierten Hauptrollen, und einer Inszenierung die, wenn man an dem Thema an sich interessiert ist, bestens verhindert, daß das ganze Konstrukt zu abstrakt und bemüht wirkt. Sowas kennt man sonst eher vom europäischen Kino, aber seiner ganzen Prägung nach hat der Film auch wenig mit herkömmlichem Hollywoodkino gemein. (31.3.)