Whale rider (#) von Niki Caro. Neuseeland/BRD, 2002. Keisha Castle-Hughes, Rawiri Paratene, Vicki Haughton, Cliff Curtis
Der alte Maorie-Oberboss Koro hat ein Problem: Gerade als er freudig glaubt, endlich den lang ersehnten Stammhalter, den legitimen Nachfolger des Urvaters seines Stammes, des legendären Whale Riders, begrüßen zu dürfen, wird er mit der erschütternden Tatsache konfrontiert, dass es sich bei dem Neugeborenen leider um ein Mädchen handelt, und Mädchen kommen für den Job nicht in Frage. Das Mädchen selbst, Paikea mit Namen und mindestens ebenso bockig und widerspenstig wie ihr Opa, sieht die Sache natürlich ein wenig anders und setzt nun (am Ende natürlich mit Erfolg) alles daran, sich und den anderen Stammesmitgliedern davon zu überzeugen, daß sie sehr wohl einen würdigen Whale Rider abgeben könnte.
Zunächst muß man einfach feststellen, daß der Film überaus schön und sympathisch ist. Wunderbare, leuchtende, fließende sehr ausdrucksstarke und Bilder einer einsamen neuseeländischen Küste und von einem Leben, in dem sich alte Maorie-Gebräuche mit den notwendigen „Errungenschaften“ kolonialer Zivilisation vermischt haben, bestens aufgelegte Darsteller, scheinbar selbst alles Maoris, die der ganzen Sache zusätzliche Echtheit und Überzeugungskraft geben, eine Geschichte, die sehr wirkungsvoll zwischen Gefühl, Humor, ethnologischer Botschaft und einem gehörigen Schuß Mystik pendelt, und ganz allgemein eine Gesinnung, die man mögen muß, eine Hommage an ein Volk, das zumindest aus unserer mitteleuropäischen Sicht, buchstäblich eine Randexistenz fristet, weitab von unserer Aufmerksamkeit und unserem Wissen, und nur ganz gelegentlich mal von gelindem Interesse, wenn mal wieder irgendeine Großmacht in der Ecke eine Atombombe zündet. Diese wilden, tätowierten, grimassierenden Krieger, die sich doch etwas robuster geben als ihre struppigen, mit ihrer Kultur der Traumzeiten rettungslos verlorenen Nachbarn vom australischen Kontinent, sind für uns zweifellos Exoten im besten Sinne des Wortes. Man schaut sie an mit einer Mischung aus Zuneigung, Respekt und Amüsement, aber die wenigsten würden wohl von sich behaupten, sehr viel Einsicht in die Tiefen der Maorie-Kultur zu besitzen. Der Film ändert daran wenig, will dies wohl aber auch gar nicht erst versuchen. Die Maorie-Kultur stellt sich selbstbewußt dar und ohne die Notwendigkeit, sich irgendwie erklären oder rechtfertigen zu müssen. Die Leute sind wie sie sind, sie brauchen kein übertriebenes Mitleid, kein wohlfeiles und hohles Pseudoengagement berufsmäßiger Gutmenschen und erst recht keine herablassende Verniedlichung, so wie es vielen anderen kleineren Kulturen schon ergangen ist (beispielsweise den Osterinseln, zum Teil den Inuit, den südafrikanischen Buschmännern etc etc). Dies ist sicherlich eine der Stärken des Films, doch bleibt die Frage, ob nicht doch einige Dinge vereinfacht oder verwässert wurden, so wie auf jeden Fall gesagt werden kann, daß die ganze Aufmachung, die optische und musikalische Gestaltung auf eine entsprechende, ethnisch interessierte Klientel westlicher Programmkinos ausgerichtet zu sein scheint. Was mich allerdings eher gestört hat (im Nachhinein eher, denn während des Films ist man doch sehr von den Bildern gefangen), ist ein offensichtlicher Mangel an Realismus. Sicherlich wird der Film auch dies nicht für sich beanspruchen, aber ich persönlich habe es einfach ganz gern. Ich denke dabei auch an Lee Tamahoris „Die letzte Kriegerin“ von vor einigen Jahren, der ein völlig anderes, recht deprimierendes Bild der Maorie im heutigen Neuseeland präsentiert, zwar Maorie die in der Stadt lebten und damit in anderen Umständen, doch glaube ich einfach nicht daran, daß noch, wie hier im Film gezeigt, die Stämme vereinzelt so hermetisch angeschlossen, von allen negativen Einflüssen der westlichen Kultur unbeeinflußt leben können. Der Film suggeriert aber gerade dies, denn diese Leute hier, obschon in Jeans und T-Shirt gewandet, scheinen eine Existenz ganz außerhalb jeder Aktualität zu fristen, ganz den alten Traditionen und Gebräuchen verhaftet, und die einzigen Probleme, die sie in dieser Geschichten bekommen, resultieren aus dem inhärenten Konflikt zwischen tradierten Sitten und Ansichten und der Notwendigkeit, beides gegebenenfalls auch mal zu hinterfragen bzw. ein wenig variabel auszulegen. Mit einer gehörigen Portion Magie kann Opa Koro schließlich eines besseren belehrt werden, und man sieht so etwas mal ja auch ganz gern, mir persönlich aber ist der Film von Tamahori wesentlich näher gegangen, vermutlich weil er diejenigen Probleme der Maorie aufzeigt, die ich für die wirklich relevanten erachte. Aber für Ethnofans und solche, die mal wieder schönes Sphärenrauschen von Lisa Gerrard hören wollen, ist dies natürlich bester Stoff. (15.8.)