Wilbur wants to kill himself (#) von Lone Scherfig. Dänemark/England, 2002. Jamie Sives, Adrian Rawlins, Shirley Henderson, Lisa McKinlay, Susan Vidler, Julia Davis, Mads Mikkelsen
Der bewußte Wilbur also unternimmt Suizidversuche am laufenden Band, dreht mal den Gashahn auf, stürzt sich irgendwo runter hängt sich irgendwo auf, ohne daß man eigentlich so recht erfährt, wieso er dies tut. Er landet regelmäßig in einer Therapiegruppe, straft die natürlich mit Verachtung, wie er überhaupt alle und jeden mit Verachtung straft, die ihm in irgendeiner Form helfen wollen. So auch seinen großen Bruder Harbour, mit dem er den Bücherladen des verstorbenen Vaters geerbt hat. Harbour möchte aus Wilbur einen vernünftigen bürgerlichen Menschen machen, so wie er selber einer ist, oder wenigstens zu sein glaubt. Er möchte für Wilbur beispielsweise ein Mädchen finden, doch als er die hübsche und sehr schüchterne alleinerziehende Alice erblickt, verliebt er sich lieber selbst in sie. Dann allerdings ereilt auch ihn ein schlimmer Schicksalsschlag.
So kommt in Lone Scherfigs zweitem Film nach dem wunderbaren „Italienisch für Anfänger“ allgemein recht viel Schicksal vor, das, wie es sich für eine ausgewiesene Tragikomödie schickt, mal sehr ernst und mal mit skurrilem Humor behandelt wird. Alle Figuren hier werden mit sehr viel Liebe und Respekt geschildert, und sie alle haben den einen oder anderen kleineren oder größeren Spleen, sie sind Außenseiter, Sonderlinge, Underdogs, bestimmt keine schnieken und vorzeigbaren Erfolgstypen. So gesehen ist der Film natürlich erst mal sehr sympathisch und menschlich, voller warmherziger Momente, launigem Witz und einigen originellen Einfällen. Aber so originell ist das ganze dann auch wieder nicht, und verglichen mit den besten dänischen Filmen aus dieser Sparte fehlt dem hier irgendwas, ohne daß sich ganz präzise sagen ließe, was eigentlich. Ich persönlich stellte nur zwischendrin immer wieder fest, daß meine Aufmerksamkeit nicht so gefesselt wurde, wie ich es erwartet und erhofft hatte, und das lag ganz sicher nicht nur an der stark vorgerückten Stunde. Der Film erschien mir manches Mal einfach ein kleines Stück zu tranig, zu lieb, es fehlten die Überraschungen, jene spontanen, oft recht beklemmenden Momente der Dogma-Filme, die einen fesseln, in den Bann ziehen. Hier erfreut man sich an sehr guten Schauspielern und viel Liebe zu den Menschen, andererseits bleibt das schottische Milieu sehr blaß, und mit einem potentiellen Dauerselbstmörder und einem Krebskranken trägt die sonst eher schmale Story auch eine reichliche Hypothek mit sich herum, die etwas zu viel ist, zumal man irgendwann über Harbours Krankheit die Probleme des kleinen Bruders fast aus den Augen verliert, und diese ja auch nie richtig in eine Richtung entwickelt werden.
Alles in allem also einmal mehr einer jener ziemlich zahlreichen Werke, die zwar keineswegs mißlungen und auch sehr nett und schön sind, die mich aber andererseits auch nicht so glücklich gemacht haben, wie es zu erwarten gewesen wäre. Vielleicht bleibt Frau Scherfig doch besser im eigenen Lande und findet dort die besseren Geschichten und die passende Weise, diese Geschichten zu erzählen. Ein vollwertiger und würdiger Nachfolger zu ihrem überragenden Erstling ist ihr in Schottland meiner Meinung nach leider nicht gelungen. (25.9.)