Birth (#) von Jonathan Glazer. USA/England, 2004. Nicole Kidman, Cameron Bright, Danny Huston, Lauren Bacall, Anne Heche, Peter Stormare, Arliss Howard

   Die Central-Park-Schickeria ist eine sehr geläufige Kulisse für Entertainment à la Woody Allen, für süße Komödchen mit Meg Ryan oder aber für klassisches Champagnerkino aus dem alten Hollywood. Liebesgeplänkel in Luxusappartements, delikate Verstrickungen vor grandioser Skyline, elegante Soirées, auf denen ein funkelndes Bonmot das andere jagt. Aber es geht auch anders: Ein in fahle Farben getunktes, kalt verschneites New York und ebenso matte, farblose Figuren, die eine fast unangemessen erscheinende Reicheleutewelt bevölkern bilden den Rahmen für eine Geschichte, die an zuletzt gern erzählte Mysterienspiele anknüpft,  der grundlegenden Zwickmühle dieser Spiele nicht ganz entgehen kann, sich aber doch deutlich besser aus der Affäre zieht als etwa die Filme Shyamalans.

   Nicole Kidman ist eine Frau, Anna, die den plötzlichen Tod ihres Ehemannes Sean nicht überwinden kann und sich dennoch auf eine neuerliche Verlobung einläßt. Kurz vor der Hochzeit erscheint ein Junge, der behauptet, eben jener Sean zu sein und der auf eingehende Nachfragen Wissen offenbart, das eigentlich nur dieser Mann haben kann. Anna gerät in einen turbulenten Widerstreit der Gefühle, ist fast schon bereit, sich auf den Jungen und eine gemeinsame Zukunft mit ihm einzulassen, als einige Irritationen die ganze Geschichte ins Wanken bringen.

   Eine Geschichte, die durchaus nachwirkt, wenn man anfängt, sich wirklich mit ihr auseinanderzusetzen. Es taucht da  beispielsweise eine Geliebte Seans auf, die Liebesbriefe zurückhielt und diese nun Anna als Haßgeste überreichen will, sie aber kurz zuvor noch verbuddelt. Diese Briefe wurden erst später geöffnet, vielleicht sogar von dem Jungen, der Clara bei ihrer Aktion beobachtet hat. Vielleicht also hat der Junge nur aus Langeweile begonnen, die Details aus diesen Briefen für ein Spiel zu benutzen. Der Beginn des Films suggeriert zwar durchaus eine mystische Verbindung – das Sterben Seans korrespondiert mit der Geburt eines Kindes -, aber wie man im Verlauf der Story merkt, könnte es auch eine ganz gräßlich profane Erklärung für all das mysteriöse Geschehen geben. Auch Anna scheint schlußendlich diese Erkenntnis zu dämmern, dennoch hat das Erscheinen des Jungen sie derart aufgewühlt, hat wider alle Vernunft eine derart starke Hoffnung in ihr ausgelöst, daß sie für kurze Zeit völlig den kontrakt zu ihrer Umwelt und zur Realität zu verlieren scheint. Dieser Prozeß wird von Kidman brillant umgesetzt, wie überhaupt vor allem ihre Darstellung sehr bemerkenswert ist, ein weiteres Beispiel für ihre Entwicklung zu einer hochklassigen Schauspielerin. Glazer verlangt ihr viel ab, die Kamera weicht teilweise minutenlang nicht von ihrem Gesicht, hält es in zwingender Großaufnahme fest, fängt jede kleinste Regung ein, und hier läuft Kidman zu großartiger Form auf und verlieht dem Drama eine bestechende Tiefe und Glaubwürdigkeit. Dessen ungeachtet hoffe ich sehr, daß die Kidman endlich aufhört, der plastischen Chirurgie zu huldigen, denn sonst wird von ihrem so überaus aparten Antlitz nicht mehr viel übrig bleiben, was das Hinschauen lohnte!

 

   Als Regisseur gibt sich Glazer im Vergleich zu seiner knallig-bösen Farce „Sexy Beast“ überraschend dezent und stilbewußt, er komponiert sehr stimmungsvolle Bilder, läßt Augenblicke einwirken, geht ganz im Gegensatz zu seinem Debut überhaupt nicht auf den Effekt aus, sondern eher auf die Zwischentöne, das Angedeutete, die Atmosphäre. Um noch mal auf die ganz oben angesprochene Zwickmühle zurückzukommen: Klar drückt sich, so könnte man argumentieren, der Film am Ende um eine schlüssige Erklärung, läßt alles ins Vage, Unklare, Verschwommene abgleiten, weil ihm nichts Besseres eingefallen ist. Andererseits bleiben uns damit all die abstrusen, zum Teil lachhaft unglaubwürdigen und dadurch ärgerlichen Konstruktionen erspart, mit denen sich solche Thriller gern ihre Wirkung verderben. Hier hat man sich für den ersten Weg entschieden und damit meiner Ansicht nach eindeutig die richtige Wahl getroffen. (28.12.)