Choses secrètes (Choses secrètes – Heimliche Spiele) von Jean-Claude Brisseau. Frankreich, 2002. Sabrina Seyvecour, Coralie Revel, Roger Mirmont, Fabrice Deville

Gleich zu Jahresbeginn dies gar wunderliche Machwerk unserer geschätzten französischen Nachbarn, ein Film, der ständig sein Gesicht ändert, und am Schluß keines mehr hat.

Es beginnt als eine Art Erotikfantasie von Männern für Männer: Zwei schöne junge Frauen lernen sich in einer Stripbar kennen, und die eine, die erfahrenere, weiht die andere in die Geheimnisse der Lust, vor allem der Lust am eigenen Körper ein. Ganz delikat für alle, die sich gerne schöne Frauenkörper anschauen, aber noch längst nicht alles.

Dann wird daraus zum allgemeinen Vergnügen eine gepfefferte und freche Gesellschaftssatire über Geschlechterrollen, die Gesetze der Geschäftswelt, Manipulationen, Intrigen und die Waffen der Frauen in einem Universum, das von schwanzgesteuerten, frustrierten Typen beherrscht wird. Natalie und Sandrine setzen auf dem Weg in die Chefetagen einer großen Firma ihre Reize mit eiskalter Berechnung ein und haben zunächst Erfolg, weil die Männer aus oben angedeuteten Grund so leicht zu beherrschen sind. Alle ihre Pläne scheinen aufzugehen, als sie an den Juniorchef geraten, der noch kälter, noch berechnender, noch skrupelloser ist, und genau hier, als die Erfolgsschiene der beiden zu kippen droht, kippt der ganze Film gleich mit und geht in die dritte, chaotischste Phase über, die das Werk als Ganzes aus der Balance wirft und ruiniert.

Plötzlich haben wir es mit einem mythisch aufgepolsterten, dunkel glitzernden, finsteren Sexmelodram zu tun, in dem unsere zwei Heldinnen brutal unterworfen und erniedrigt werden, sich zunächst erniedrigen lassen, weil sie ihren Peiniger auch noch lieben, sich dann aber inmitten einer wilden Massenorgie an dem Schwein rächen und ihn umschießen. Fortan, und dies ist dann der melodramatische Ausgang des Films, trennen sich die Wege der Frauen: Die eine geht für den Mord in den Knast, die andere, die den Kerl geheiratet hatte, erbt eine Masse Geld, und nur einmal noch kreuzen sich ihre Wege, durch Zufall auf der Straße. Aus der einfachen und unerfahrenen Sandrine ist eine mondäne, stinkreiche Dame geworden, und die einst so schillernde, erotische, souveräne Natalie ist nun mit einem Gefängniswärter verheiratet und hat mit ihm ein Kind. So haben sich die Rollen letztlich vertauscht.

Die vielen Wandlungen innerhalb des einen Films sorgen gar nicht mal für die Irritation, nur die letzte Wendung hin zu einem schwülstigen, klischeehaften, stark überzogenen (oder ist das vielleicht nur ironisch gemeint?) Mysterienspiel, in dem der Protagonist am laufenden Meter irgendwelchen Unfug zum Thema absolute Freiheit, Sehnsucht nach Lust und Tod, Überschreitung der natürlichen, menschlichen Grenzen undsoweiter absondert. Die Menschen sind laut seiner These angekettete Götter, die lediglich ihrer Befreiung harren oder so ähnlich, ist auch egal, denn all dies Geschwafel inmitten plüschigen Sexgerangels ist lediglich verwirrend, eitel und albern und läßt uns leider auch unsere beiden Protagonistinnen aus dem Blick verlieren, die nicht nur ihre Körper einbringen, sondern auch noch sehr gut spielen. Besonders im Mittelteil ist der Film ziemlich komisch und bissig treffend, doch gegen Ende verlieren sich die fröhlichen Lacher im Publikum vollends, denn dann herrscht nur noch Konfusion, was doppelt schade ist, weil dadurch auch jegliche Aussage, jede tiefergehende Absicht entwertet werden. Was auch immer der Herr Regisseur uns sagen wollte, im Schlußteil hat er’s verspielt, weil er sich nur noch auf Schauwerte, auf den dröhnenden Einsatz sakraler Choräle (was die wohl zu bedeuten haben?) und auf überzogene Effekte stützt. Wer diesen Film für provokant und tabubrechend hält, hat die wahren Klassiker noch nicht gesehen. (2.1.)