Collateral (#) von Michael Mann. USA, 2004. Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett-Smith, Mark Ruffalo, Javier Bardem, Peter Berg

   In „Heat“ Mitte der Neunziger schon zelebrierte Michael Mann die hohe Kunst des grandios angelegten, betont durchgestylten Großstadtthrillers, in dem gut gekleidete Profis mit erbitterter Konsequenz ihr Handwerk betreiben und dabei im Lauf der Zeit unweigerlich in tödlichen Konflikt geraten. Ein brillant gespielter und gefilmter Film Noir in modernstem Gewand, eine Meditation über das Leben und Sterben im Moloch L.A., große Unterhaltung mit Tiefgang und in dieser Form eine absolute Rarität im gegenwärtigen, von erschütterndem Mittelmaß gezeichneten Hollywoodkino.

  „Collateral“ knüpft in den meisten Punkten haargenau daran an. Traten vor knapp zehn Jahren Al Pacino als Guter und Robert de Niro als Böser zum Duell an, so finden sich nun Tom Cruise als graumelierter, supercooler Profikiller und Jamie Foxx als Taxifahrer, der seinen Klienten von einem Job zum nächsten fahren muß. Fünf Stationen sind das insgesamt in der einen Nacht und zwischendurch gibt’s auch noch Ärger vom FBI, dem LAPD, der Chinamafia und der Chicanomafia, bevor man sich dann zum einsamen Showdown in frühmorgendlicher U-Bahn aufstellt und der Gute einmal mehr den Bösen erlegen und das Mädchen mit nach Haus nehmen darf.

 

   Die Grundsubstanz der ganzen Story ist eigentlich denkbar einfach und uns bereits des öfteren in der einen oder anderen Variante untergekommen. Entscheidend ist natürlich, wie das Ganze inszeniert wird, und hier gelangt Michael Mann wahrlich zu atemberaubender Perfektion, in dem er nicht nur einen brillant getimten und hoch spannenden, sondern auch einen enorm intensiven und atmosphärisch dichten Film fabriziert, der zum einen ein faszinierendes Psychoduell bietet und zum anderen großartige Bilder aus Los Angeles, aus Downtown ebenso wie den Vororten, von riesig breiten, einander kreuzenden und querenden Highways, den Straßenschluchten, kleinen Seitenstraßen, Jazzclubs und Kneipen, menschenleeren Büroblocks, nächtlich verlassenen Straßenkreuzungen und vom Luftraum über der Stadt, einmal mehr Tummelplatz der Polizeihubschrauber mit ihren allgegenwärtigen Suchscheinwerfern. Einzeln und für sich betrachtet tut Mann nicht viel mehr, als Stereotypen zu sammeln und zu arrangieren, und er tut dies durchaus mit bewußtem Sinn für das Zitat, doch er tut es auf eine so aufregende und elektrisierende Weise, daß es ganz frisch und neu wirkt. Ähnlich kunstvoll ist auch die Dramaturgie, die ähnlich wie „Heat“ nach langsamer Steigerung zwischendrin einen spektakulären Höhepunkt mit einer großen Schießerei hat, dann wieder runterfährt und sich kontinuierlich weiter aufbaut. Der Film hat über zwei volle Stunden einen tollen Flow, er stockt nicht, er steht niemals still, wird bei aller Bewegung doch niemals hektisch oder verliert seinen Rhythmus und ist dabei doch um eine dreiviertel Stunde kürzer als „Heat,“ was, wie ich finde, im direkten Vergleich der beiden Filme doch für diesen hier spricht. Wenn man andere Versuche dieses Genres betrachtet wird man feststellen, wie selten es vorkommt, daß ein Film einerseits so durch und durch kontrolliert und dabei doch so spannend und eindrucksvoll ist. Und Tom Cruise, der sich in den letzten Jahren ja immer mal schon bis nah an den Rand vorgewagt hat, ist endlich mal ganz zur anderen Seite übergetreten und darf den Bösen geben, einen grimmigen, fatalistischen Profi, der sein Spiel bis zu Ende spielt, weil es auch nur eines unter vielen Spielen ist. Solche Typen muß es in solchen Filmen einfach geben, womit sich Michael Mann wieder in eine große filmische Tradition stellt (siehe oben) und diese auch in der neuen Zeit mit einigen meisterhaften Stilübungen fortsetzt. (27.9.)