Belleville Rendez-vous (Das große Rennen von Belleville) von Sylvain Chomet. Frankreich/Belgien/Kanada, 2003.

   Cool, endlich mal wieder ein Zeichentrickfilm, der nicht aus irgendwelchen US-amerikanischen Computern stammt, endlich mal wieder ein Zeichentrickfilm, den sich auch Erwachsene anschauen können, ohne laufend gegen Schleim- und Schmalzlawinen ankämpfen zu müssen, endlich mal wieder ein Zeichentrickfilm, der ohne niiiiedliche Monstren, süüüße Tierchen oder wonnige Märchengestalten auskommt – kurz, endlich mal wieder ein witziger Zeichentrickfilm!

  Sylvain Chomet erzählt die skurrile Geschichte einer ehrgeizigen, extrem toughen französischen Oma, die ihren Enkel mit unglaublichen und dringend zur Nachahmung empfohlenen Trainingsmethoden zum Tour-de-France-Fahrer trimmt, dann aber mit ansehen muß, wie ihr Augenstern just auf der schwierigen Bergetappe von finsteren Gangstern gekidnappt und mit einem großen Dampfer übers Meer entführt wird. Gemeinsam mit dem sehr aufopferungsvollen Hund nimmt sie die Verfolgung auf, landet Übersee in der Wolkenkratzerstadt Belleville, macht dort die erfrischende Bekanntschaft dreier ehemaliger Varietéberühmtheiten und legt sich schließlich mit einer französischen Weinmafia an, für die die entführten Radler im Keller strampeln müssen.

 

   Wie gesagt, höchst skurril das alles. Es gibt jede Menge Parodistisches und Satirisches zu sehen, wenn es um typisch französische Eigenarten geht, um den Nationalstolz, um eben die Tour, um das Essen (niemand, der diesen Film gesehen hat, wird je wieder Froschschenkel anrühren, das schwöre ich!), um Kultur und Gesang. Die dazu fabrizierte Bilderwelt strotzt vor überraschenden Ideen, wunderbaren Gags und haarsträubenden Absurditäten. Mal hat man fast eine postindustrielle Apokalypse im expressionistischen Stil der zwanziger Jahre vor sich, mal wird mit ganz wenigen Zutaten aber dennoch genial präzise eine unverwechselbar französische Wohnlandschaft skizziert, mal werden  mit sehr viel Witz und köstlichen Übertreibungen Genreklischees trefflich parodiert, mal wird’s auch deftig makaber und ziemlich schwarz. Dazu kriegt Jacques Tati seine Hommage, das Varieté der Zwanziger ebenso, und es gibt viel fetzige Musik zu hören. Die Stimmung im durchweg erwachsenen (jawohl!) Publikum ist bestens, achtzig Minuten gehen vorüber wie im Flug, alle geben gern zu, daß sie Zeichentrickfilme ja schon immer gemocht haben, und genau so soll es sein bei so einem Film, oder? (10.6)