The girl with a pearl earring (Das Mädchen mit dem Perlenohrring) von Peter Webber. England, 2003. Scarlett Johansson, Colin Firth, Judy Parfitt, Cillian Murphy, Essie Davis, Tom Wilkinson
So heißt ein Gemälde von Johannes Vermeer aus dem Jahre 1665: Ein blondes junges Mädchen mit blauem Haartuch blickt uns seitlich über ihre linke Schulter an, mit riesengroßen Augen und leicht geöffneten Lippen – rätselhaft, irgendwie lockend, faszinierend. Ein tolles Bild, das muß ich zugeben, wo sonst Porträts aus alten Zeiten nicht unbedingt mein Fall
sind. Und für alle, die es wissen wollen, bietet der Film (der auf einem Roman basiert) eine mögliche Geschichte an, wie es zu diesem Bild kam: Die junge Griet kommt, um sich und ihrer Familie aus ärgster Not zu helfen (ihr Vater ist ein blinder Kachelbrenner im alten Delft) als Magd im Hause Vermeers unter, lernt die dauernd gebärende, bereits verhärmte Gattin kennen, die dominante Schwiegermama mit dem scharfen Blick und den Kunstmäzen van Ruiven, der seine Macht über die oft mittellosen Künstler genießt und ebenso ab und zu ein frisches junges Mädchen. Durch Zufall eher weckt Griet die Aufmerksamkeit Vermeers und er beschließt, ein Porträt von ihr anzufertigen. Beharrlich lockt er das scheue Mädchen an, ermutigt sie, Persönlichkeit und Gefühle zu entwickeln, und stürzt damit nicht nur sie sondern auch seine ganze Familie in Aufruhr, denn als die eifersüchtige Ehefrau erfährt, daß er das Mädchen auch noch mit ihren Perlenohrringen malt, gibt’s eine kräftige Szene, und Griet muß den Haushalt verlassen.
Solch ein Thema fordert den Bildgestalter heraus, und so malt uns die Kamera wunderbare, ganz im alten Stil kadrierte und belichtete Tableaus, die man ungestört genießen könnte, wenn da nicht eine fürchterlich aufdringlich und ständig tönende und posaunende Musik wäre, die uns fast keinen Moment in Ruhe läßt und die zum Teil recht eindrucksvolle optische Poesie durchgehend stört. Dieses Mako wiegt umso schwerer, da die Bilder der beste Grund sind, diesen Film zu sehen, denn ansonsten erschien er mir ein wenig flüchtig und oberflächlich, zumal er sich eines durchaus tiefgründigen Themas annimmt. Zum einen wird rasch ein Eindruck vom Leben im siebzehnten Jahrhundert vermittelt, auch eine kurze Einführung in die Sozialstruktur mit all ihrer Differenzierung und strikten Hierarchie, in der die beiden Hauptakteure doch ein gutes Stück voneinander getrennt sind. Griets unterwürfige Scheu, ihre Schönheit und ihre Ruhe reizen den Maler, sofort sieht er die Möglichkeiten für ein spannungsvolles, vielsagendes Gemälde, und hier bietet sich natürlich viel Raum für ein komplexes Künstler-Modell-Verhältnis, doch hier bleibt der Film ebenso vage und verkürzt wie in der Darstellung des Malens, des künstlerischen Schaffens, da ihn in der Kürze der Zeit zu viele Nebenhandlungen behindern. Jacques Rivette hat einst gezeigt, wie man’s macht: Reduktion auf das Nötigste, nur der Maler und sein Modell, sonst (fast) nichts. Und das auch noch vier Stunden lang und keine langweilige Minute dabei. Nun, dieser Film hat sicher andere Ambitionen, er will uns lediglich anderthalb Stunden lang unterhalten, bietet eine angemessenerweise nur angedeutete, unerfüllte Romanze vor prächtigem historischen Hintergrund, versucht die Spannung zu beziehen aus tiefen, vielsagenden Blicken, einem raschen, neugierigen Augenaufschlag hier und dort, dem Kontrast zwischen der strengen, etwas düsteren Ausstrahlung des Malers und ihrem unentdeckten, erst langsam zur Entfaltung kommenden Selbstbewußtsein, das sich seinen Weg bahnt, als sie endlich dem Werben ihres Metzgerjungen nachgibt und mit ihm schläft, berauscht von dem, was der Maler in ihr freigesetzt hat. Na gut. Die Schauspieler machen ihren Job den Umständen entsprechend gut, über die Optik ist alles gesagt und ansonsten bin ich der Ansicht, hätte aus der durchaus reizvollen Geschichte viel mehr gemacht werden können, wenn der Regisseur ein bißchen mehr Sinn fürs Detail und für den langen Atem gehabt hätte. (6.10.)