Le papillon (Der Schmetterling) von Philippe Muyl. Frankreich, 2003. Michel Serrault, Claire Bouanich, Nade Dieu, Jacques Bouanich, Françoise Michaud

   Der Schmetterling heißt Isabelle, ist dämmerungsaktiv, und Monsieur Julien versucht schon seit vielen Jahren, einen von ihnen aufzustöbern, denn dies war der letzte Wunsch seines vor fünfzehn Jahren verstorbenen, manisch depressiven Sohns. Jahr für Jahr bricht er deshalb von Paris aus ins Gebirge auf, um doch noch das seltene Exemplar zu finden. Isabelle heißt auch die Mutter der kleinen Elsa, die zur neuen Nachbarin Juliens wird. Elsa ist viel auf sich allein gestellt, da die Mutter offenbar schon mit ihrem eigenen Leben ein wenig überfordert ist. Und so findet sich eines Tages Elsa als blinder Passagier in Juliens Auto wieder, als der zu seiner jährlichen Expedition aufbricht. Der eigensinniger alte Knurrhahn nimmt das unentwegt plappernde Mädchen natürlich höchst widerwillig mit, doch schließlich begeben sich die beiden auf eine lange Suche, und am Schluß werden beide ihre Isabelle gefunden haben.

   Diesem wunderschönen Film gelingt es einmal mehr auf sehr französische Weise, das Schwere und Tiefe ganz leicht erscheinen zu lassen, und dennoch sehr viel zu sagen über Menschliches, über Freundschaft, Verantwortung, Liebe und die Fähigkeit, diese Liebe zu zeigen und auszusprechen. Obgleich Julien und Elsa bestimmt sechzig Jahre trennen, haben beide bereits einiges erlebt, wobei auch das Mädchen einige schlimme Erfahrungen beisteuern kann. Sie sollte eigentlich von der sechzehnjährigen Mutter abgetrieben werden, doch es war schon zu spät. Ein Vater war nicht vorhanden, und alsbald begann eine traurige Reise durch verschiedene Kinderheime, und auch jetzt ist ihre Mutter Isabelle nicht imstande, sich ihrer Tochter gegenüber halbwegs verantwortungsbewußt zu verhalten. Das Mädchen ist zwar mit ihren acht Jahren noch robust genug, um vieles zu verkraften, doch erkennt Julien deutlich, daß Elsa sich im Grunde nach nichts mehr als nach Geborgenheit und Zuverlässigkeit und Aufmerksamkeit sehnt, Dinge, die ihr die Mutter noch nicht geben kann. An die Oberfläche dringen diese Dinge trügerischerweise nicht, da haben wir ein ganz normales, lebhaftes, vorlautes, neugieriges, forsches, gameboyspielendes und höchst berechnend intrigierendes Mädchen vor uns, das obendrein noch sehr charmant und lustig ist und hauptverantwortlich für den reizenden Witz des Films. Julien ist ein allein lebender, seit langem verwitweter Eigenbrötler, der seit der traumatischen Zeit mit dem kranken Sohn das Schmetterlingshobby obsessionsartig betreibt und ansonsten am liebsten ganz in Ruhe gelassen wird. Da er und das Mädchen ein denkbar ungleiches Paar sind, das aber durch die Umstände auf längere Zeit aneinander gebunden ist, haben wir eine bestens bekannte und immer wieder gern gesehene und variierte  Ausgangslage von der Nervensäge und dem Brummbär, die sich im Lauf der Zeit doch zusammenraufen. Julien übernimmt von Beginn an, obschon gegen seinen Willen, Verantwortung für das Kind, und natürlich kann sie ihn zu so gut wie allem bewegen, was sie möchte, wenn sie nur ausdauernd bettelt und nervt. Andererseits kann er ihr ein paar Dinge vermitteln, die ihr als Stadtkind bislang vollkommen fremd waren, vor allem die Zauber der Natur, die Stimmungen, die Geräusche von Wind und Vögeln, und er bringt ganz überraschend immer wieder einige seiner eigenen, eher ernsten und düsteren und sehr erwachsenen Gedanken ein, die sie dennoch aufnimmt. Schließlich wird daraus fast noch eine mißverstandene und in den Medien aufgeblasene Entführungsgeschichte, doch Gott sei Dank wird auch dies nicht unnötig aufgebauscht, und Julien und die Mutter Isabelle finden sich zu einem ernsten Gespräch zusammen, das sie vermutlich zur Besinnung kommen läßt, bevor auch er ganz unvermittelt doch noch seinen Falter hat und vielleicht endlich inneren Frieden findet.

 

   Das wird von den beiden Hauptfiguren wundervoll gespielt, sowohl von dem unvergleichlich mürrischen und knorrigen Serrault als auch von der herrlich frischen und witzigen Claire, und hat von Beginn an einen fast musikalisch lockeren und zügigen Rhythmus, in den wie gesagt auch einige ernste und nachdenkliche Momente spielend integriert werden. Die sehr stimmungsvollen Bilder aus den Bergen formen einen poetischen Hintergrund für einen Film, der viel mehr ist als nur eine leichte Frühlingskomödie, der aber auch andererseits sehr einfach und sehr menschlich ist und vor allem eben schön. Was fürs Herz, wenn jetzt endlich mal die Sonne rauskommt. (2.4.)