Der Untergang von Oliver Hirschbiegel, BRD, 2004. Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Juliane Köhler, Ulrich Matthes, Corinna Harfouch, Heino Ferch, Christian Berkel, Michael Mendel, Ulrich Noethen, Matthias Habich

   Die letzten Wochen im Berliner „Führerbunker“ bis zum Selbstmord Hitlers und seiner Frau, Goebbels’ und seiner Frau, der Kapitulation, eine fast zweieinhalbstündiger, hochgradig professionell inszenierter Film, der sich auch Joachim Fest und die Erinnerungen Traudel Junges stützt, wodurch auch erklärt wird, weshalb die junge Sekretärin im Film einen ihrer echten historischen Bedeutung sicherlich kaum angemessenen Raum einnimmt, uns aber andererseits auch wieder als eine Art Identifikationsfigur dient, denn wenigstens sie trägt ausgeprägt menschliche Züge hier.

   Mein Problem mit diesem Film hat hauptsächlich mit der Konzeption zu tun. Was will der Film? Was will er uns zeigen? Offensichtlich will er nicht nur eine Geschichte erzählen, von der jeder, der sich halbwegs für die Materie interessiert, mehr oder weniger weiß. Er will natürlich auch kein reiner Kriegsfilm sein, obwohl er nicht den Mut hatte, völlig auf schmückendes Actionbeiwerk zu verzichten und uns nur das konzentrierte Kammerspiel vorzusetzen (Hier besonders spürt man den Einfluß des Kommerzspekulanten Eichinger, der den Film praktisch mitinszeniert hat). Vielleicht will er tatsächlich den Versuch unternehmen, uns Hitler und seine Clique, die sich hier zu einem wahnwitzigen unterirdischen Totentanz zusammengerottet hat, von einer neuen, einer menschlichen Seite zu präsentieren. Da bliebe zuerst mal die sehr häufig und sehr zu Recht gestellte Frage: Was sollte uns das bringen? Sollte dies uns etwa dazu bewegen, unsere Meinung über die Geschichte zu revidieren? Wohl kaum. Eventuell gezogene Verbindungen zu Banalität des Bösen nach Hannah Arendt greifen hier ganz und gar nicht, denn Hitler war alles andere als ein eifriger, pflichtbesessener, biederer Bürokrat vom Typ Eichmanns, und er wird hier auch nicht so dargestellt. Bruno Ganz stellt ihn, sehr viel manierierter und gestelzter als sonst von diesem großartigen Darsteller gewohnt, als launischen, alternden, gebrechlichen, zittrigen Egomanen dar, dessen hysterische Wutausbrüche die dicken Wände erzittern lassen, der überall um sich herum Verräter wähnt und in seinem Wahn lieber das gesamte Volk mit in den Abgrund reißen würde als je zu kapitulieren. Ich habe diesen Hitler nicht als Mensch gesehen, sondern wieder nur als Karikatur, er ist mir zu keiner Zeit irgendwie nahegebracht worden, was sicherlich nicht allein an Ganz liegt, den ich aber schon viel überzeugender gesehen habe, sondern an der gesamten Konzeption der Rolle. Entweder geht es ganz einfach nicht, Hitler losgelöst von seiner historischen Rolle zu sehen und man muß es eben so hinnehmen, oder die Autoren hatten auch hier nicht den Mut es zu versuchen. Dasselbe gilt für das Ehepaar Goebbels, zwei veritable Monstren, aber wenig griffig für Harfouch und Matthes, die ja ebenfalls beide ausgezeichnete Schauspieler sind, aber in diesem Rahmen keine Chance zur Differenzierung haben, und Juliane Köhler ergeht es als Eva Braun zwischen betont ausgestellter Amüsierlaune und vollkommener Ignoranz ganz ähnlich. Drumherum gibt’s noch viel Gesaufe und Gegröle, ein paar fanatische Generäle, ein paar skeptische Generäle, ein paar gewissenhafte Ärzte, ein paar Trümmerkinder und eben das ganze Personal, das den deutschen Kriegsfilm schon seit den Fünfzigern bestückt. Zu allem Überfluß noch ein bißchen Drama und Gewalt in den Ruinen Berlins, für sich genommen sicherlich erschütternd und ehrenwert und auch sehr eindringlich gefilmt, aber eigentlich gehörte dies in einen anderen Film hinein und nicht in diesen.

   Unter dem Strich schaut man, genauer, schaue ich mit viel Distanz zu, natürlich abgestoßen und angewidert von der Gewalt und dem allgemeinen Wahnsinn und immer wieder vor den Kopf gestoßen von dem unglaublichen, fanatischen Gehorsam, den viele ihrem Führer auch dann noch entgegenbrachten, als alles bereits in Trümmern lag und klar wurde, das Hitler ohne mit der Wimper zu zucken alle Menschen ins Verderben reißen würde.

 

   Viele Dinge, die ich nie begriffen habe, hat mir der Film nicht erklären können, er hat mir aber auch sonst keine neue Dimension eröffnet, keinen neuen Blickwinkel auf die Geschichte. Er führt die wichtigsten Protagonisten als Marionetten vor, und das ist sein großer Fehler, da er den eigenen Anspruch radikal unterläuft. Immer mal wieder denkt man zwischendurch, daß der Untergang der Nazidiktatur hier plötzlich als große Tragödie erscheinen soll, was ja wenigstens ein Ansatz ist, aber in der Umsetzung reicht es auch dazu vorn und hinten nicht. Man beschaut sich ein paar schreckliche Menschen, die Schreckliches tun und getan haben, man erlebt am Rand hier und da ein bißchen Schicksal mit, aber ich persönlich habe zu keiner Zeit bemerkt, daß ich Anteil nehme an dem Geschehen (jedenfalls nicht an dem, was eigentlich wichtig war), und als nüchternes Historienstück war er ja nun nicht gerade konzipiert. (26.10.)